The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
eingehend, dass es fast schon beängstigend ist, und sagt dann: »Aber ja. Jetzt erinnere ich mich wieder an dich. Du hattest Zöpfe mit gelben Schleifen.«
»Ja, genau.«
Wie kann sie sich daran noch erinnern? Habe ich sie also doch in irgendeiner Weise beeindruckt?
»Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, habe ich dir damals nahegelegt, lieber keine Schriftstellerin zu werden. Aber wie ich sehe, hast du meinen Rat nicht beherzigt.« Mary Gordon Howard streicht sich selbstgefällig über die Haare. »Ich vergesse nie ein Gesicht, das ich einmal gesehen habe.«
»Du bist eben in jeder Beziehung ein Genie, Tantchen«, ruft George und lacht herzlich. »Aber warum hast du Carrie davon abgeraten, Schriftstellerin zu werden?«
Anscheinend findet er alles, was »Tantchen« sagt, zum Totlachen, und sei es noch so lahm.
Aber wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten.
»Weil sie zu hübsch ist«, erwidert Mary Gordon Howard.
»Entschuldigung?« Ich verschlucke mich fast an meinem Sherry, der im Übrigen wie Hustensaft schmeckt.
Wenn das keine Ironie ist – ich bin angeblich zu hübsch, um
Schriftstellerin zu werden, aber offensichtlich nicht hübsch genug, um einen Mann auf Dauer zu fesseln.
»Gut, du besitzt natürlich nicht unbedingt die Schönheit, die es braucht, um Filmstar zu werden«, fährt sie fort. »Aber du bist hübsch genug, um zu glauben, dass du dein Aussehen bei Bedarf gezielt einsetzen kannst.«
»Gezielt einsetzen? Wofür denn?«
»Zum Beispiel, um dir den richtigen Mann zu angeln.« Sie sieht George an.
Aha. Sie glaubt also, ich hätte es auf ihren Nefen abgesehen. Allmählich habe ich das Gefühl, in einen Roman von Jane Austen geraten zu sein.
»Also, ich finde Carrie tatsächlich sehr hübsch«, wirft George ein.
»Und dann wirst du natürlich Kinder haben wollen«, sagt Mary Gordon Howard scharf, ohne auf seinen Kommentar einzugehen.
»Tante Bun!« George lacht. »Woher willst du das denn alles so genau wissen?«
»Weil jede Frau Kinder haben will. Bis auf ein paar seltene Ausnahmen wie mich. Ich habe nie den Wunsch verspürt, Mutter zu werden.« Sie hält George ihr Glas hin, damit er ihr nachschenkt. »Wenn du eine wirklich große Schriftstellerin werden willst, haben Kinder keinen Platz in deinem Leben. Dann müssen deine Bücher deine Babys sein!«
Ich frage mich, ob Bunny heute vielleicht schon ein paar Gläschen Sherry zu viel getrunken hat und sich das allmählich bemerkbar macht.
»Ach?«, antworte ich gespielt naiv. »Müssen die denn auch gefüttert und gewickelt werden?«
Dieser sarkastische Seitenhieb musste einfach sein.
Mary Gordon Howard fällt die Kinnlade runter. Ganz ofensichtlich ist sie es nicht gewöhnt, dass ihr mal jemand die Stirn bietet und sich nicht einschüchtern lässt. Sie sieht George an, der nur lächelnd mit den Achseln zuckt, als wäre ich das hinreißendste Geschöpf auf Erden.
Und dann fängt sie plötzlich an, schallend zu lachen, und klopft neben sich auf das Sofa. »Wie sagtest du, war dein Name, Liebes? Carrie Bradshaw?« Sie wischt sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln und zwinkert George zu. »Komm, setz dich zu mir, Kindchen. George behauptet, dass ich auf dem besten Weg bin, mich in eine verbitterte alte Frau zu verwandeln und dringend etwas Spaß gebrauchen könnte.«
»Aus der Werkstatt einer Schriftstellerin« von Mary Gordon Howard.
Ich schlage das Buch auf und lese die Widmung auf dem Deckblatt: Für Carrie Bradshaw. Vergiss niemals, Deine Babys zu füttern und zu wickeln.
Danach blättere ich zum ersten Kapitel weiter, dessen Titel »Über die Notwendigkeit, ein Tagebuch zu führen« lautet.
Stöhnend klappe ich es wieder zu und greife stattdessen nach dem schweren, in schwarzes Leder gebundenen Buch, das George mir geschenkt hat.
»Ich hab dir doch gleich gesagt, dass sie dich lieben wird!«, jubelte er auf der Rückfahrt nach Hause und war von unserem erfolgreichen Besuch bei Tante Bunny so beseelt, dass er darauf bestand, bei einem Schreibwarengeschäft anzuhalten, um mir sofort ein eigenes Tagebuch zu kaufen.
Seufzend greife ich wieder nach Mary Gordon Howards Buch
und blättere darin, bis mein Blick an der Überschrift des vierten Kapitels hängen bleibt: »Wie man Romanfiguren erschafft«.
Von meinen Leserinnen und Lesern werde ich oft gefragt, ob meine Romanfiguren »reale Personen« zum Vorbild haben. Diese Frage ist sicherlich nicht ganz unberechtigt, neigen Laien doch tatsächlich gern dazu,
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