The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
Tonic und starrt auf den Bildschirm. »Was soll ich machen?«, fragt er hilflos. »Sie einsperren? Als ich in ihrem Alter war, haben sich Mädchen noch nicht so benommen.«
»Das war vor vierzig Jahren, Dad.«
»Das spielt doch keine Rolle«, sagt er und massiert sich die Schläfen. »Liebe ist etwas Heiliges.« Jetzt kommt die Nummer wieder. Wenn er erst einmal damit anfängt, gibt es kein Entrinnen. »Liebe ist etwas Spirituelles. Es geht dabei um Selbstaufopferung und Hingabe. Und um Disziplin. Wahre Liebe ohne Disziplin existiert nicht. Und um Respekt. Wer den Respekt seines Ehepartners verloren hat, hat alles verloren.« Er hält inne. »Verstehst du, was ich damit sagen will?«
»Natürlich, Dad«, sage ich, um ihn nicht zu verletzen.
Als unsere Mutter vor ein paar Jahren starb, haben meine Schwestern und ich nach einiger Zeit versucht, Dad dazu zu ermutigen, vielleicht jemand Neues zu finden, aber er weigerte
sich, die Idee auch nur in Betracht zu ziehen. Noch nicht einmal auf eine harmlose Verabredung wollte er sich einlassen. Die eine große Liebe seines Lebens hätte er schon gehabt, sagte er, und eine Beziehung auf weniger Gefühl aufzubauen, wäre Heuchelei. Er schätze sich sehr glücklich, einmal im Leben diese Art von Liebe erfahren zu haben, auch wenn er sie nicht für immer habe behalten können. Wahre Liebe, sagte er, sei etwas, was die meisten Leuten niemals erleben dürften, egal wie alt sie würden.
Wer hätte gedacht, dass in einem so nüchternen Wissenschaftler wie meinem Vater ein so unglaublicher Romantiker steckt?
Das macht mir manchmal ein bisschen Sorgen. Nicht seinetwegen, sondern meinetwegen.
Ich gehe in mein Zimmer hinauf, setze mich vor die alte Royal-Schreibmaschine meiner Mutter und ziehe ein Blatt Papier ein.
Die große Liebe, tippe ich und füge nach kurzem Nachdenken noch ein Fragezeichen hinzu.
Und wie weiter?
Ich öfne die Schublade und hole eine Geschichte heraus, die ich mit dreizehn geschrieben habe und mittlerweile ziemlich dämlich finde. Sie handelt von einem Mädchen, das einem kranken Jungen ihre Niere spendet und ihm damit das Leben rettet. Bevor er krank wurde, hat er sie nie beachtet, obwohl sie ihn immer total anschmachtete, aber nachdem sie ihm ihre Niere geschenkt hat, verliebt er sich rettungslos in sie.
Ich würde die Geschichte niemals jemandem zeigen, weil sie einfach viel zu schnulzig ist, trotzdem habe ich es nicht über mich gebracht, sie wegzuwerfen. Das macht mir Angst. Angst,
dass ich insgeheim genauso romantisch veranlagt bin wie mein Vater.
Und Romantiker müssen manchmal durch die Hölle gehen.
Hey! Wo brennt’s? Ich muss wieder an Sebastians Kommentar denken, als ich ihm vor der Cafeteria in die Arme gelaufen bin.
Jen P hat recht. Man kann mit jemandem zusammen sein wollen, den man gar nicht kennt.
Als ich dreizehn war, sind Maggie und ich im Sommer oft zum Wasserfall gegangen. Dort gibt es einen Felsvorsprung, von dem sich die Jungs immer kopfüber ins Wasser stürzten, und manchmal war auch Sebastian mit dabei und hat wahnsinnig angegeben, während Maggie und ich auf der anderen Seite des Flusses in der Sonne lagen.
»Los, mach doch auch mal«, drängte Maggie mich dann oft. »Du kannst viel besser springen als die.« Und ich schüttelte jedes Mal den Kopf und schlang die Arme um die Knie. Ich war zu schüchtern. Die Vorstellung, dass alle mich anschauen würden, lähmte mich geradezu.
Ich schaute lieber zu. Oder besser gesagt, ich konnte gar nicht anders, als zuzuschauen. Mein Blick hing wie gebannt an Sebastian, sobald er geschmeidig und schlafwandlerisch sicher den Felsen hinaufkletterte. Auf dem Vorsprung oben veranstalteten die Jungs dann immer eine Riesenshow, schubsten sich gegenseitig hin und her und forderten sich zu immer gewagteren Sprüngen heraus. Sebastian war der Mutigste von allen, kletterte noch höher als die anderen Jungs und stürzte sich so kühn ins Wasser, dass ich wusste, er hatte noch nie über den Tod nachgedacht.
Er war frei.
Er ist der Eine. Die große Liebe.
Und dann habe ich ihn vergessen.
Bis jetzt.
Ich ziehe das mittlerweile zerknitterte und verfleckte Ablehnungsschreiben der New School aus meinem Ringbuch und lege es zu der Geschichte von dem Mädchen, das seine Niere spendet, in die Schublade. Dann stütze ich das Kinn in die Hand und starre auf die Schreibmaschine.
Dieses Jahr muss in meinem Leben irgendetwas Gutes passieren. Es muss einfach.
MaDonna mia …
»Steig endlich aus,
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