The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
er genug Abenteuer erlebt.«
»Hat er sich denn jetzt noch mal bei dir gemeldet?«, fragt Maggie.
Ich kratze mich an einem imaginären Mückenstich. »Nein. Aber das macht nichts.«
»Er wird anrufen, verlass dich drauf«, sagt Mouse zuversichtlich.
»Natürlich ruft er an. Er muss anrufen«, sagt Maggie eine Spur zu enthusiastisch, als wollte sie ihren blöden Witz von vorhin wiedergutmachen.
Seit der Aktion mit dem Scheunendach sind vier Tage vergangen, und wir haben alles, was passiert ist, jetzt bestimmt schon zwanzigmal bis ins kleinste Detail analysiert. Nachdem Lali Sebastian und mich gerettet hatte, sind kurz darauf auch Mouse und Walt noch mal zurückgekommen, aber weil wir nicht mehr da waren und auch die Leiter verschwunden war, gingen sie davon aus, dass wir heil nach Hause gekommen waren. Als wir uns dann am Montag alle in der Schule wiedertrafen, haben wir uns vor Lachen kaum eingekriegt und bei jedem Blick aus dem Fenster mussten wir uns das Grinsen verbeißen: Die unfertige knallrote Jahreszahl 198 und der fette rote Farbklecks waren nicht zu übersehen. Cynthia Viande hat den Vorfall sogar in der Morgenversammlung angesprochen und angekündigt, dass diejenigen, die für diesen ›Akt der mutwilligen Zerstörung von Privateigentum‹ verantwortlich seien, zur Rechenschaft gezogen würden, falls man sie zu fassen bekomme. Jedes Jahr die gleiche Leier. Darüber konnten wir bloß müde lächeln.
Nur Peter nahm es weniger locker. »Die Bullen können doch
unmöglich so dämlich sein, oder?«, sagte er. »Ich meine, die waren doch dort und haben uns gesehen.«
»Was haben sie denn schon großartig gesehen?«, versuchte ich ihn zu beruhigen. »Nichts weiter als ein paar Schüler, die vor der alten Scheune rumlungerten.«
»Also dieser Peter …«, sagte Lali am nächsten Morgen auf der Fahrt zur Schule. »Der Typ ist doch total paranoid. Wieso war er überhaupt mit dabei?«
»Ich glaub, er steht auf Maggie.«
»Aber Maggie ist doch mit Walt zusammen.«
»Mir musst du das nicht sagen.«
»Hat sie jetzt etwa zwei Freunde? Wie kann man bloß zwei Freunde gleichzeitig haben?«
»Hör mal«, raunte Peter mir zu, als wir uns zwischen zwei Unterrichtsstunden auf dem Flur begegneten. »Ich frage mich, ob man diesem Sebastian wirklich trauen kann. Was, wenn er uns bei der Polizei verpfeift?«
»Keine Sorge. Das macht er garantiert nicht.«
Allein schon Sebastians Namen zu hören, versetzte mir einen schmerzhaften Stich.
Seit dem Kuss begleitet er mich in Gedanken wie ein unsichtbarer Schatten. Ich kann nirgends mehr ohne ihn hingehen. Unter der Dusche reicht er mir das Shampoo. Sein Gesicht schimmert wie ein Wasserzeichen durch die Seiten meiner Schulbücher. Am Samstag war ich mit Maggie und Walt auf einem Flohmarkt, und während ich mir ein paar Blusen aus den Sechzigerjahren an einem Ständer ansah, konnte ich nur eins denken: Welche würde Sebastian wohl am besten gefallen?
Klar wird er anrufen.
Aber bis jetzt hat er es noch nicht getan.
Eine Woche vergeht, und als ich am Samstagmorgen widerwillig eine kleine Reisetasche packe, halte ich immer wieder inne, um fassungslos die Kleidungsstücke zu betrachten, die ich auf dem Bett ausgebreitet habe. Sie kommen mir vor wie willkürlich zusammengesuchte Teile aus fremden Kleiderschränken. Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht, als ich diesen perlenbesetzten Pulli aus den Fünfzigern gekauft habe? Oder dieses rosafarbene Halstuch? Oder die grüne Leggins mit den gelben Streifen? Ich habe ein Uni-Bewerbungsgespräch und nichts zum Anziehen. Wie soll ich denn in diesen Klamotten die sein, die ich sein soll?
Moment, wer soll ich noch mal sein?
Ach ja. Sei einfach du selbst.
Aber wer bin ich?
Und wenn er anruft, während ich weg bin? Warum hat er eigentlich nicht längst schon angerufen?
Vielleicht ist ihm etwas passiert.
Was soll ihm denn passiert sein? Du hast ihn doch jeden Tag in der Schule gesehen und da ging es ihm bestens.
»Carrie?«, ruft mein Vater von unten und bereitet meinem stummen Selbstgespräch ein jähes Ende. »Bist du so weit?«
»Fast.« Ich packe einen karierten Rock und den perlenbesetzten Pulli in die Reisetasche, dazu noch einen weißen Gürtel und einen Hermès-Schal, der früher meiner Mutter gehörte. Sie hatte ihn sich in Paris gekauft, als sie und Dad einmal dort waren.
»Carrie?«
»Komme.« Ich poltere die Treppe hinunter.
Mein Vater ist vor Reisen immer nervös. Er deckt sich mit Straßenkarten ein und
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