The Cocka Hola Company: Roman
Schule auch fast zu Tode gelangweilt.
– Ja.
– Aber Schule und so Zeug, das ist nicht so wichtig, weißt du.
– Nein.
– Schau mich an, aus mir ist auch was geworden, obwohl ich kein Musterschüler war.
– Ja.
Lonyl schaut zum Monitor rüber, kurz bevor der Screensaver an die Stelle des KZ-MANAGER-Logos tritt, das über der High-Score-Liste prangt.
– Was ist das?, fragt Lonyl.
– Ein Spiel. Superlustig. Willst du mal versuchen?
– Ja.
– Eigentlich ist es ziemlich schwierig, es geht um Organisation, also …
Es läutet an der Tür.
– Hans? Machst du auf?, ruft Sonja aus der Küche.
– Wart mal kurz, Lonyl, da kommt noch wer.
Lonyl drückt mit drei Fingern auf die Tastatur, der Screensaver verschwindet. Er begreift nichts von der High-Score-Liste, drückt mal hier, mal da, kommt aber nicht weiter. Der Titel des Spiels sagt ihm auch nichts. Neger-Lonyls Karriere als KZ-Verwalter ist kurz.
– Ja, sagt PapaHans in den Hörer der Gegensprechanlage und drückt fast sofort auf den Öffner.
– Lonyl!, sagt er. – Das ist Speedo!
– Hoi! Lonyl vergisst den PC und rennt zur Wohnungstür.
Lonyl und Speedo mögen sich. Der schwer verhaltensgestörte Lonyl lebt in glücklicher Unwissenheit, dass Speedo Alkoholiker ist und findet es vorbehaltlos fabelhaft, dass Speedos Augen tränen und er so komisch riecht … fast eklig. Speedo seinerseits hat noch nichts davon mitgekriegt, dass Lonyl angeblich ein bisschen schwierig im Umgang ist. Es läutet nochmal, PapaHans geht wieder an die Sprechanlage.
– Ja hallo?, fragt er. – Ja … ja … mach ich … ja … ich mach nochmal auf … jetzt mach ich auf … ja, ich mache jetzt auf.
Bzzzzzzzzzzz. Unten hat Speedo seine liebe Mühe damit, die Tür aufzukriegen. Er hat die Klinke gepackt, aber zerrt schwankend daran, statt zu drücken. PapaHans muss den Türöffner fast 20 Sekunden lang gedrückt halten, bis Speedo es endlich geschafft hat. Als er die Treppe sieht, bleibt er stehen und seufzt. Er hatte sich selber eingeredet, dass er am Ziel sei, wenn er nur die Tür erreicht. Doch nein, oweh. Und Treppen sind für Suffköppe ungefähr dasselbe wie Steuererklärungen für andere Leute; eine unüberwindliche Scheißplackerei. Lonyl wartet in der Tür, so ungeduldig wie ein Jagdhund. Zwei Minuten. Drei Minuten. Vier Minuten. Vier Minuten warten sind eine laaaange Zeit für ein Kind, das sich auf etwas freut. Er läuft ins Treppenhaus, nachdem PapaHans seine Hund-dersein-Herrchen-gewittert-hat-Signale bemerkt und gesagt hat:
– Geh ruhig auf die Treppe raus, ob du ihn schon sehen kannst, Lonyl.
Lonyl kennt keine Höhenangst und wirft sich fast übers Geländer in dem Funktionalismus-Treppenhaus. Er hängt auf dem Bauch, Beine hüben, Arme drüben, reckt den Hals ins Leere, wippt nach vorn und hält sich von der Außenseite an den Gitterstäben fest, in einem Winkel, bei dem jeder andere dank einer Kombination von Schock und ungenügender Koordination längst abgestürzt wäre. Er drückt sich ab, kommt wieder ins Gleichgewicht, sieht Speedo, ruft lauthals seinen Namen, und Speedo – wo wir gerade von ungenügender Koordination reden – erschrickt ganz gewaltig, verdreht den Kopf und blickt nach oben, beides zu schnell; ein schwerer Angriff auf sein eh schon angeschlagenes Gleichgewicht. Bereits im Fallen, versucht er instinktiv das, was man tut, wenn man gerufen wird: 1) Dreh dich um und schau nach, wer das ist; 2) Winke und rufe hallo! Umgedreht hat er sich schon, also wirft er zum Gruß einen Arm hoch, synchron zur Rotation des Kopfs, kommt ins Trudeln, stolpert von der Stufe und knallt an die Wand: – HalloLon … Klatsch! Er fällt der Länge nach die Treppe hoch, rutscht eine Stufe runter, dann kriegt er das Geländer zu fassen.
– Schaischglellända Mistzscheuch vafluchtsss, murmelt er.
Lonyl hat Schluckauf vor Lachen. Nachdem er sein Gleichgewicht wiedererlangt hat, versucht Speedo, erfreut, endlich ein dankbares Publikum gefunden zu haben, eine unbeholfene Zirkusverbeugung, als wäre das Ganze Absicht gewesen. Als er oben ist, versucht er Lonyl zu umarmen – Lonyl lacht hochvergnügt, als ihre Köpfe zusammenstoßen.
– Heeeeeeeiloonyjjl, sagt Speedo.
– Schau mal, Speedo, sagt Lonyl und macht Handstand; er kippt hintüber und sein Rücken landet an der Betonwand.
– Ohohohohoihoioioioi he-he-hust-huuust-hust, kommentiert Speedo.
Lonyl steht auf, vollführt das Gleiche nochmal und steht erneut auf.
–
Weitere Kostenlose Bücher