The Curse - Im Schatten der Schwestern (German Edition)
den Weg durch die Zeit auch nicht gefunden … sollte er überhaupt existieren“, murmelte Payton mutlos.
Doch Sean schien noch nicht bereit, die Sache als hoffnungslos abzutun.
„Aber wenn wir ihn finden, haben wir keine Zeit zu verlieren, wir können uns genauso gut jetzt Gedanken machen. Ich gehe für dich und werde dir das Blut bringen. Und du hältst hier verdammt noch mal so lange durch, bis ich wieder zurück bin, aye?“
Payton sah seinem Bruder lange in die Augen, ehe er ihm die Hand reichte und Sean erleichtert einschlug.
„Ich schwöre dir, Bruder, ich lasse dich nicht sterben“, versicherte Sean.
Ich wandte mich ab, denn ich kam mir wie ein Eindringling vor, der diesen intimen Augenblick zwischen den beiden Brüdern störte. Aber ich war froh, Payton nicht dieser Gefahr ausgesetzt zu wissen. Mein Vertrauen in Sean, der mir inzwischen nahestand wie ein Bruder, war grenzenlos. Wenn einer die Fähigkeit hatte, diese Herausforderung zu bestehen, dann der kühne Schotte vor mir. Immerhin war ihm diese Zeit nicht fremd, und er würde sich ohne Probleme zurechtfinden.
„… ausbessern, oder, Sam?“ wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
„Was? Habt ihr mit mir gesprochen?“
„Sean will wissen, ob du ihm sein altes Plaid ausbessern kannst. Wenn wir tatsächlich einen Weg finden, dann müssen wir uns vorbereiten. Sean sollte möglichst unauffällig gekleidet sein. Sein altes Plaid wäre perfekt. Außerdem braucht er neben seinem Dolch noch sein Breitschwert. Er sollte auch einige Lebensmittel mitnehmen, weil Supermärkte damals nicht so dicht gesät waren wie heute“, scherzte Payton.
Obwohl mir eigentlich nicht nach Späßen zumute war, musste ich lachen. Die beiden waren verrückt, solche Überlegungen anzustellen.
„Ja glaubt ihr denn, man kann das alles mitnehmen?“, tat ich meine Zweifel kund. „Einfach so, wie wenn man in den Urlaub fährt? Vielleicht den kleinen Louis Vuitton-Trolley mit Tütensuppen füllen und auf keinen Fall das Handy vergessen, damit man unvergessliche Aufnahmen aus dem achtzehnten Jahrhundert mit zurückbringen kann? Und eine Tupperdose für Vanoras Blut bitte nicht vergessen.“
Es war erleichternd, Pläne zu schmieden, auch wenn wir von Paytons Rettung noch genauso weit entfernt waren wie gestern. Aber es fühlte sich besser an. Wir hatten Hoffnung – und so etwas wie einen Plan. Wir scherzten und lachten noch etwas, ehe wir uns daran machten, den Gedenkstein genauestens zu untersuchen.
Jede Ritze, jeden Meißelschlag nahmen wir unter die Lupe, umrundeten ihn im und gegen den Uhrzeigersinn, ertasteten jeden Millimeter seiner rauen Oberfläche. Die Brüder hatten mich sogar gemeinsam hochgehoben, damit ich einen Blick auf die Oberkante werfen konnte. Es gab an dem ganzen verdammten Stein nicht den Hauch einer Spur.
„Vielleicht waren wir auf dem Friedhof doch nicht so falsch. Hier gibt es jedenfalls nichts.“
Obwohl wir uns alle darüber im Klaren gewesen waren, keinen neonfarbenen Leuchtreklamepfeil mit der Aufschrift „ Zurück in die Vergangenheit “ oder „ Zum Riss in der Zeit “ vorzufinden, hatte ich doch irgendwie gehofft, schneller fündig zu werden. War es nicht in Romanen und Filmen immer der Fall, dass mysteriöse Wesen im Sonnenlicht funkelten oder eine dicke Schicht Spinnweben einen geheimen Gang verbarg? Andererseits gäbe es wohl inzwischen längst so etwas wie Vergangenheitstourismus, wenn ein derartiges Portal leicht zu finden wäre.
Obwohl der Aufstieg nicht allzu anstrengend gewesen war, erwies sich der Abstieg für mich als nahezu unlösbar. Immer wieder glitt ich in meinen einfachen Sandalen auf dem taunassen Gras aus, und meine Jeans wies bereits nach wenigen Metern einen schlammigen Hosenboden auf. Die Jungs lachten über meine Ungeschicklichkeit, und Sean reichte mir seinen Sgian dhu .
„Was soll ich damit? Denkst du, es fällt leichter, statt im Schlamm in einer Klinge zu landen?“, fragte ich genervt, weil auch die Jacke mit Dreck beschmiert war, und das steilste Stück erst noch vor mir lag.
„Quatsch, wenn du jetzt hier runtersteigst, dann ramm’ ihn in die Erde und halt dich daran fest. Und versuch einfach, nicht in die Klinge zu stolpern, aye?“
Sean grinste zu mir herauf, ehe er mit einem weiten Satz einfach den Abhang hinuntersprang. Sehr skeptisch blickte ich auf die Klinge in meinen Händen und dann auf den Hang vor mir. Zum Glück bot mir Payton, wenn auch ebenfalls schief grinsend, hilfsbereit die Hand.
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