The Curse - Im Schatten der Schwestern (German Edition)
Payton fummelten gerade an einer mit Moos überwachsenen Inschrift herum und waren vertieft in die Betrachtung der alten Buchstaben.
Das war meine Chance. Seit ich auf dem kalten Boden gesessen hatte, musste ich pinkeln. Ich hatte vergeblich versucht, dieses immer drängendere Bedürfnis zu unterdrücken. So nutzte ich ihre Ablenkung und verschwand hinter den Überresten der eingefallenen Kapelle. Die verfallenen Mauern waren noch so hoch, dass ich mir hier ein gut geschütztes Fleckchen suchen konnte. Ich wollte auf keinen Fall eines der alten Gräber beschmutzen, also beeilte ich mich, die Friedhofsmauer zu erreichen, wo nur wenige Grabsteine standen. Hinter einem von ihnen erleichterte ich mich. Zum Glück war von den Brüdern nichts zu sehen.
Als ich hinter dem Grab hervortrat, rutschte mir Seans Dolch aus dem Gürtel. Während ich mich nach dem Messer bückte, bemerkte ich die Inschrift auf dem Stein.
Mo còig nighean
Mora, Fia, Gillian, Robena, Alba,
Gabh mo leisgeul
Tha gabh mi gradhaich a thu
Ich konnte nicht alles erkennen, denn ein Rosenbusch verdeckte mit seinen Blättern einen Teil, aber ich spürte, dass ich gerade etwas Entscheidendes gefunden hatte. Ich hob den Sgian dhu auf, steckte ihn zurück in meinen Gürtel und bückte mich. Vorsichtig schob ich die Zweige beiseite und sah mir die Inschrift genauer an. Ich kannte nicht viele gälische Worte, aber nighean erkannte ich. Es bedeutete Tochter . Und còig war einfach. Fünf . Mir schlug das Herz bis zum Hals. Das hier war kein Grabstein! Mit zitternden Fingern strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht und wischte das Moos von der nächsten Zeile, als ich an einer der Dornen hängen blieb.
„Autsch!“
Ich zuckte zurück und sah einen dicken Tropfen Blut aus meinem Finger quellen. So rot wie die wenigen roten Blüten am Rosenstock. Schnell steckte ich mir den Finger in den Mund. Der Kupfergeschmack auf meiner Zunge verursachte mir Übelkeit.
Ich öffnete die Augen, sah hinab auf meine Hände. Glitschig und warm ergoss sich das Blut auf die Waffe. Und auf mich.
Mit einigen tiefen Atemzügen schüttelte ich das komische Gefühl und das Aufblitzen dieser Erinnerung an meine Ohnmacht bei Roy und Alison ab und konzentrierte mich wieder auf die Inschrift.
„Mora, Fia, Gillian, Robena und Alba“, las ich leise.
Mir wurde schlecht, und ich musste mich mit beiden Händen am Stein festhalten, um nicht zu fallen. Ein Tropfen Blut fiel auf den Stein, verschmolz mit ihm – und, noch ehe ich die Augen vor dem hellen Licht, dem alles verschlingenden Glanz, verschließen konnte, hörte meine Welt auf zu existieren.
Licht.
Schmerz.
Und sonst nichts.
Ich fiel, ohne mich zu bewegen, ohne zu fallen, ohne zu sein. Es gab nichts. Mein Körper und mein Geist waren losgelöst voneinander, irrten ziellos umher, wurden getragen wie auf brennenden Schwingen und zugleich mit eisiger Faust zerrissen.
„Payton“, wollte ich rufen, aber es gab keine Stimme und keine Luft zum Atmen, kein Bewusstsein, welches dies hätte tun können, und doch war es, als verlangsamte sich mein Sturz in den bodenlosen, lichtgefüllten Abgrund. Ich war nicht länger in der Lage, auch nur meine Gedanken zu lenken.
Es war so hell. Ich selbst schien nur noch aus Licht zu bestehen. Meine Sinne überlagert von Licht, meine Lungen gefüllt mit goldenem Glanz, mein Blut ein glühendes Elixier, welches durch meine Adern rann. Das Licht schien aus mir herausbrechen zu wollen, so wie ein Küken aus dem zu engen Ei. Wenn ich noch einen klaren Gedanken hätte fassen können, dann wäre es dieser gewesen: Ich sterbe.
Irgendwann drang Kälte in mein Bewusstsein.
Eine ganze Zeit später Feuchtigkeit.
Schließlich fanden Geräusche den Weg in mein Gehirn, und ich öffnete benommen die Augen. Erleichtert atmete ich auf. Es war fast dunkel. Ich hätte diese Helligkeit nicht eine Sekunde länger ertragen. Aber was war passiert? Jeder einzelne meiner Knochen schmerzte, als sei er gebrochen, und es kostete mich unendlich viel Kraft, nur zu blinzeln.
War mir wieder schwindelig geworden? Wie bei Roy und Alison zu Hause? Langsam und stöhnend setzte ich mich auf, und die Welt um mich herum verschwamm vor meinen Augen. Wieder blinzeln. Endlich klärte sich mein Blick. Wo waren Payton und Sean? Wie lange war ich ohnmächtig gewesen? Dem schwindenden Tageslicht nach zu urteilen, war es bereits später Abend, und die zwei hätten mich doch längst vermissen müssen.
„Payton? Sean!“, rief ich
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