The Curse - Im Schatten der Schwestern (German Edition)
eigene Mutter töten würde. Wenn ich ihren Geständnissen im Motel glauben durfte, musste es schon Jahre her sein, dass sie ihre Stiefmutter vergiftet hatte.
Und obwohl ich wusste, dass sie mit Blair zusammen war, hatte ich nicht damit gerechnet, ihr hier zu begegnen.
Ich wischte mir über die Stirn und wagte es nicht, den Blick von der Tischplatte zu lösen, aus Angst davor, noch einmal dieser Frau ins Gesicht sehen zu müssen.
Wie viele Leben könnte ich retten, wenn ich sie töten würde?
Unter dem Tisch rempelte mich jemand an, und ich hob den Kopf. Sah Paytons fragenden Ausdruck und bemühte mich um ein Lächeln.
„Darf ich dir ein Stück Fleisch reichen?“, bot er an und deutete auf das dampfende Stück Spanferkel, welches ein Diener ihm servierte.
Ich hatte mit einem Mal überhaupt keinen Hunger mehr und fragte mich, wie ich neben Nathaira auch nur einen Bissen hinunterbekommen sollte. Der Gedanke an Gift verursachte mir einen bitteren Geschmack auf der Zunge, und ihr feindseliger Blick ließ mir auch so schon das Blut in den Adern gefrieren. Aber da es sehr unhöflich gewesen wäre, Fingals Speisen zurückzuweisen, nickte ich und schob Payton das leere Brett über den Tisch.
Er lud mir eine Scheibe Fleisch, Rübengemüse und ein Stück Brot auf, ehe er es mir zurückgab. Dann bot er mir seinen Dolch, damit ich das Fleisch zerkleinern konnte, denn es gab sonst nur Holzlöffel. Ich schaute mir von den anderen am Tisch ab, wie sie das Fleisch mit der Klinge aufpickten und es damit in den Mund führten. Um Unauffälligkeit bemüht, fing ich zu essen an.
Meine blank liegenden Nerven ließen unzählige Eindrücke zugleich auf mich einströmen. Der Lärm der Stimmen in der Halle, der Geruch der Speisen und die Hitze, die der große Kamin abstrahlte, vermengten sich zu einem unscharfen Bild. Erst Paytons aufgebrachter Tonfall ließ mich aufhorchen. Er und Sean hatten die Köpfe zusammengesteckt und diskutierten.
„… von mir denkst!“, war von Sean, der sehr verärgert zu sein schien, zu vernehmen.
„Dass du jedem Weiberrock hinterhersteigst, das denke ich. Wage nicht, es abzustreiten.“
„Amadain! Ich wollte mit dem Mädchen nur reden“, verteidigte sich Sean.
„Reden, Bruder? Und dazu habt ihr euch in die Scheune geschlichen? Halt’ mich nicht zum Narren, bràthair!“
„Glaub’ doch, was du willst! Aber wenn dich interessiert, was mir Aline anvertraut hat, dann halt’ die Klappe und hör’ mich an.“
Seans Blick traf meinen, und er bemühte sich, leiser zu sprechen, sodass ich kein Wort mehr verstand. Außerdem wurde meine Aufmerksamkeit nun zum Kopf der Tafel gelenkt, wo es gerade laut zuging.
Eine rundliche Frau, das graue Haar zu ordentlichen Wellen gelegt, verursachte diesen Tumult, weil sie dem Oberhaupt der McLeans den Kelch energisch aus der Hand riss und sich in einer lautstarken Schimpftirade erging.
„… und glaubt, nur weil er ein Mannsbild ist, dass ihn nichts umhauen kann! Aber ich sage es nur einmal: Sauft Ihr weiter, dann weigere ich mich, Euch zusammenzuflicken, weil Ihr die Wunde im volltrunkenen Zustand wieder aufgerissen habt“, drohte sie.
Ich beugte mich über den Tisch und flüsterte zu Payton hinüber, der das Spektakel ebenfalls beobachtete.
„Wer ist das? Ist sie lebensmüde?“
Payton grinste. „Das ist die ehrwürdige Nanny MacMillan. Sie ist so etwas wie die gute Seele dieser Burg.“
„Die gute Seele ? Sie schimpft wie ein Gangsterrapper!“
„Gangsterrap … was? Hüte dich, sie das hören zu lassen“, warnte mich Payton und rieb sich das Ohr. „Sonst zieht sie dir die Ohren lang und versohlt dir den Hintern.“
Ich war verwirrt. Tatsächlich erhob sich nun Fingal von seinem Stuhl und ging vor der Dame her wie ein Schuljunge, der zur Strafe an die Tafel muss.
„Was? Ich verstehe nicht …“
„Nanny MacMillan war unsere Amme, als wir Kinder waren. Außerdem ist sie Heilerin, Hebamme und Lehrerin. Wenn man so will, führt sie diesen Haushalt, obwohl dies überhaupt nicht ihre Aufgabe wäre. Vater lässt sie nur zu gerne, denn seit Mutters Tod fehlt dieser Burg die weibliche Führung. Nanny MacMillan füllt diese Lücke.“
Der Laird und die Nanny waren beinahe zur Halle hinaus, als Fingal plötzlich stehen blieb und sich umdrehte. Er rief einen Burschen zu sich und deutete in meine Richtung. Der Bursche lief sofort los und kam zu mir.
Der Junge hatte offensichtlich noch nie zuvor mit einer Cameron gesprochen. Mit einer Mischung aus
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