The Curse - Im Schatten der Schwestern (German Edition)
sie das?“
Ross lachte abfällig, sah mich aber direkt an. Wut und Schmerz vieler Jahre standen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Brüder? Ja, sie sind meine Brüder, aber sie sind auch die Söhne des Teufels! Und wie er genießen sie’s, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen, Sam. Vergiss das nie. Sie genießen das Gefühl, dich zu demütigen, zu treten und dich im Dreck vor ihren Füßen zu finden.“
Mir lief es kalt den Rücken hinab, denn ich konnte sehen, dass man ihm all dies schon angetan hatte. Das Leid brach förmlich aus ihm heraus. Ich konnte nichts sagen, wusste nichts, was ihm Trost gespendet hätte. Aber mein Schweigen schien ihm recht zu sein. Er bückte sich nach einigen Beeren und legte sie in den Korb, ehe er mich wieder ansah.
„Meine Mutter war noch sehr jung. Gerade mit meinem Vater vermählt worden. Er war Hirte für die Herden der Stuarts. Es waren große Herden, und er war oft fort von zu Hause. Eines Tages kam Grant Stuart, der Sohn des alten Lairds, in unsere Hütte. Er wollte zwei geschlachtete Lämmer abholen.“
Ross wandte sich von mir ab und pflückte weiter Beeren, während es schien, als hätte er die Geschichte, die er mir nun anvertraute, schon tausendfach durchlebt.
„Mutter war allein. Sie konnte sich nicht gegen ihn wehren. Niemand hinderte ihn daran, sich zu nehmen, wonach es ihn verlangte. Und er musste ihren Schmerz genossen haben, denn er kam immer wieder. Mein Vater stellte Grant zur Rede, drohte ihm, alles dem Laird zu sagen, wenn er es noch einmal wagen sollte, seiner Frau zu nahe zu kommen. Der dreckige Stuart lachte ihn aus, befahl seinen Männern, Vater die Kehle durchzuschneiden, wenn er Ärger machen würde, und dann schändete er Mutter vor seinen Augen. Pflanzte ihr dabei seinen teuflischen Samen in den Leib. Als er fertig war, prügelten sie meinen Vater halb tot. Er war danach auf einem Auge blind. Hätten sie ihm nur beide Augen genommen, dann hätte er nicht mit ansehen müssen, wie die Saat dieses Mannes in seiner Frau heranreifte. Sie gebar Grant Zwillinge, Duncan und Dougal. Ohne Rücksicht auf die Schmach, die er über seine Gattin Una brachte, die ihm immerhin erst wenige Monate zuvor einen Sohn und Erben geschenkt hatte, holte Grant die Jungen nach Galthair und erkannte sie als seine Söhne an.“
Die Haut an seinen Händen wies dunkle Flecken von den Beeren auf, als er seine Ausbeute in den Korb fallen ließ.
„Es hat fast zehn Jahre gedauert, ehe meine Mutter wieder die Berührung eines Mannes ertragen konnte. Ich muss also fast dankbar sein, überhaupt das Licht der Welt erblickt zu haben.“
Er hob den Korb vom Boden auf und ging mir voran tiefer in das dornige Dickicht. Ich hob den Saum meines Kleides, damit er sich nicht in den Ranken verfing, und folgte ihm. Die Geschichte – seine Geschichte – war wirklich furchtbar. Ich konnte nicht glauben, dass die Menschen in dieser Zeit tatsächlich zu solcher Brutalität fähig waren.
„Warum machst du dann gemeinsame Sache mit ihnen? Hättest du nicht allen Grund der Welt, sie zu hassen?“, rief ich ihm verständnislos hinterher.
Ross blieb stehen und drehte sich zu mir um. Wut und Schmerz hatten sich verwandelt in Entschlossenheit. Er kam näher und blieb knapp vor mir stehen.
„Sie hassen? Vielleicht – aber mehr noch als sie hasse ich meinen Vater!“, gestand er mir im Flüsterton. Sein Atem, so nah an meinem Ohr, verursachte mir Gänsehaut.
„Ich werde nicht der Mann sein, der den Dolch an der Kehle spürt, während man meine Frau schändet. Ich werde niemals zusehen, wie mein Sohn sich unter den Schlägen solcher Bastarde krümmt. Ich werde irgendwann auf der anderen Seite stehen, Samantha. Auf der Seite der Sieger!“
Ich trat einen Schritt zurück und zog mir das Schultertuch fester um den Körper. Trotz des milden Tages fröstelte ich.
„Auf welcher Seite sähe deine Mutter dich wohl lieber?“, fragte ich bissig und erntete dafür ein zynisches Grinsen.
„Meine Mutter ist tot. Hat sich umgebracht, als ich gerade eine Woche alt war. Willst du wissen, warum?“
Nein, das wollte ich nicht. Ich wollte weggehen, ihn und seine Geschichte hinter mir lassen, aber er packte mich grob am Arm.
„Sie brachte sich um, weil Grant Stuart zu meiner Geburt ein Päckchen schickte. Darin waren der Dolch, den sie Vater Jahre zuvor an die Kehle gehalten hatten, und ein Brief. Er schrieb, er wolle bald kommen und ihr persönlich seine Glückwünsche aussprechen. Noch ehe Vater
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