The Curse - Im Schatten der Schwestern (German Edition)
ab.
„Ich weiß, was du dachtest, Ross!“, erinnerte ich ihn noch immer wütend, auch wenn ein Teil meiner Erschütterung mit dem Schlag verraucht war.
„Ich meine ja nur, ich hätte es verstanden. Du bist ihnen ausgeliefert, fürchtest dich vor dem, was dir bevorsteht, wenn meine Brüder zurückkehren und dich mitnehmen. Da wäre der Schutz des großen McLean etwas wirklich Feines.“
„Halt’ jetzt die Klappe! Natürlich ängstigt es mich, nicht zu wissen, was aus mir wird. Trotzdem würde ich nie …“
„Schon gut, ich entschuldige mich. Es ist nur so, ich wünschte, ich könnte dich beschützen. Aber stattdessen verletze ich dich sogar noch mit meinen unbedachten Worten.“
„Vergiss’ es. Lass uns nicht mehr davon sprechen. Sag’ mir lieber, was man heute mit mir vorhat. Weißt du das?“
Erleichtert, dieses heikle Fahrwasser nun verlassen zu haben, straffte Ross wieder seine Schultern.
„Ja, ich soll dich in den Wald begleiten. Wir sollen Wacholderbeeren pflücken und dabei Ausschau nach Goldrute halten, weil Nanny MacMillan wieder einen ihrer Zaubertränke brauen will.“
Obwohl ich nach dem Gespräch von eben noch immer etwas zerknirscht war, griff ich nach dem Schultertuch und wickelte es mir um. Immerhin hatte ich noch Fragen, auf die ich mir von Ross eine Antwort erhoffte. Vielleicht würde sich bei der Arbeit im Wald eine Gelegenheit finden, ihn unauffällig auszuhorchen.
„Also los, dann lass uns gehen“, trieb ich ihn an.
Ich wollte ihn schleunigst aus meinem Zimmer bekommen, denn mir war etwas Funkelndes ins Auge gefallen. Unter dem blauen Bettvorhang spitzte die silberne Klinge des Dolches hervor, mit der Payton mir gestern seinen Schwur geleistet hatte. Im Vorbeigehen stupste ich die Schneide weiter unter den Vorhang, sodass sie nicht mehr zu sehen war. Ich wusste nicht, was noch geschehen würde und hatte nicht vor, mir die Waffe erneut abnehmen zu lassen. Aber noch viel weniger hatte ich vor, eine Klinge bei mir zu tragen, wenn Ross in meiner Nähe war. Zu deutlich stand mir der Moment seines Todes vor Augen. Meine Gänsehaut ignorierend, zog ich die Tür hinter uns zu und folgte ihm hinaus in den Burghof.
***
Payton stand auf den Zinnen, der Wind blies ihm ins Gesicht, und er genoss das Gefühl der Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Er war seit Stunden hier oben, hatte das einmalige Farbenspiel des Sonnenaufgangs bewundert, während er seinen Wachdienst tat.
Nachdenken. Das versuchte er. Aber er war abgelenkt. Denn er fühlte noch immer Sams Abschiedskuss vom Vorabend auf seinen Lippen. Und dabei wollte er ja sogar über die kleine Cameron nachdenken, deren Augen sich ihm in die Seele gebrannt hatten. Nur kam dabei kein vernünftiger Gedanke zustande. Was war nur los mit ihm?
Er hatte sich nie für sonderlich leidenschaftlich gehalten. Nie geahnt, dass er derart schnell für ein Mädchen entflammen würde. Als er gerade sechzehn gewesen war, hatte er eine kurze Liebelei mit der hübschen Tochter eines Schaustellers gehabt, der damals mit seiner Truppe bei ihnen haltgemacht hatte. Das Mädchen hatte ihn nach der Aufführung, in der sie mit brennenden Fackeln jongliert und sich einem Messerwerfer als Zielscheibe dargeboten hatte, hinter den Planwagen gelockt und sich ihm an den Hals geworfen. Er war ihren Reizen erlegen, auch wenn er schnell merkte, dass es im Leben der frechen Schaustellerin schon viele junge Männer wie ihn gegeben haben musste. Sie war geschickt in ihrer Verführung und genoss offensichtlich das Vergnügen der fleischlichen Vereinigung. Nur zwei Tage später zog die Truppe weiter. Payton trauerte der Schaustellerin nicht hinterher, hatte er sie doch nicht wirklich gekannt, von Liebe ganz zu schweigen.
Und dann trat, wie aus dem Nichts, Sam in sein Leben. Und stellte alles auf den Kopf.
Lag es daran, dass er einen Moment der Schwäche hatte, als er sie zum ersten Mal sah? Oder stimmte es, was Sam behauptete – sie seien füreinander bestimmt. Gab es so etwas überhaupt? Er ging in sich, beschwor das Gefühl herauf, welches über ihn hereingebrochen war, als sie ihm bei McRaes Hütte in die Arme gestolpert war.
Es war keine Leidenschaft gewesen, sondern etwas viel Tieferes. Er hatte sie beschützen wollen. Hätte sie am liebsten nicht mehr losgelassen, weil es so richtig war, sie im Arm zu halten. Als gehöre sie dorthin.
Es erschien im ganz natürlich, ihr von seiner Sorge um seinen Vater zu berichten, dabei zeigte er sonst keine Schwäche. Und trotz
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