The Cutting
erledigen.
McCabe beugte sich nach unten und zog die Fünfundvierziger aus dem Sitzhalfter. Er legte sie auf Sophies Bauch, wo er sie notfalls schnell zur Hand hätte. Er entsicherte sie. Nicht, dass das irgendetwas genützt hätte. Es gab ihm lediglich ein besseres Gefühl.
Sophie zitterte noch immer. Ohne den Druck auf die Wunde zu verringern, streifte er sein leichtes Sommerjackett ab und breitete es über sie. So saßen sie eine ganze Weile da, mit trocknendem Blut bespritzt, während Sophie immer wieder in die Bewusstlosigkeit abdriftete. Er hatte einmal irgendwo gelesen, dass man Schussopfer unbedingt bei Bewusstsein halten sollte. Also fing er an, ihr ein altes Kneipenlied vorzusingen. Er sang laut und legte immer wieder von vorne los. Seine unmusikalische Stimme dröhnte hinaus in die Nacht:
She’s got freckles on her butt,
She is nice, she is nice.
And when she’s in my arm, it’s paradise.
All the sailors give her chase’
Cause they love her naval base.
She’s got freckles on her butt,
She is nice.
Er sang ohne Unterbrechung, während er mit den Gedanken bei dem Schützen war. Ein rasierter Schädel und breite Schultern. Ob er umkehren und sein Werk vollenden würde? McCabe stellte sich vor, wie er im grünlichen Schimmer des Nachtsichtglases auftauchte, das Fadenkreuz ruhig auf sein hageres irisches Gesicht gerichtet, ein leichtes Ziel, trotz der zersplitterten Windschutzscheibe. Er stellte sich vor, wie der Mann abdrückte. Wie die Kugel ihren Weg nahm. Wie sein Kopf explodierte. McCabe duckte sich etwas tiefer und kurbelte das Seitenfenster hoch.
Sein Verstand sagte ihm, dass der Mann wahrscheinlich flüchten würde. Ihm musste klar sein, dass seine Kugel Sophie nicht sofort getötet hatte. Dass McCabe Hilfe anfordern würde. Er hatte wahrscheinlich gesehen, dass Sophie sich bei seinem Schuss bewegt hatte und er sie in den Arm anstatt in den Kopf getroffen hatte. Was er aber nicht wissen konnte, war, wie schwer sie verletzt war. Er konnte annehmen, dass sie verblutet war. Oder dass es nur ein Streifschuss gewesen war und sie sich lediglich hingelegt hatte, um nicht gesehen zu werden. McCabe sang weiter.
She’s got freckles on her butt,
She is nice.
Er hörte Sirenen. Zuerst in der Ferne, dann rasch näher kommend. Keine Minute später bogen zwei Einsatzwagen der Maine State Police und ein Notarztwagen kreischend in die stille Seitenstraße. Der Notarztwagen und einer der Einsatzwagen kamen neben dem T-Bird zum Stehen. Ein junger Beamter der State Police mit einem militärischen Kurzhaarschnitt kam breitbeinig auf McCabe zumarschiert, hob die Mossberg vom Boden auf und signalisierte ihm, das Fenster hinunterzukurbeln. McCabe gehorchte.
Ein Sanitäter schob sich an dem Mann vorbei und machte die Tür auf. »Sind Sie verletzt, Sir?«
»Nein. Aber sie hat einen Schuss in den Oberarm abbekommen. Die Schlagader ist verletzt. Sie hat viel Blut verloren.«
»Wenn Sie aus dem Wagen schlüpfen können, ohne ihren Arm loszulassen, dann beuge ich mich rein und löse Sie ab.«
McCabe befolgte die Anweisungen. Der Sanitäter schob sich an McCabe vorbei ins Innere des Wagens, bis seine Hände sich mit McCabes auf der Wunde trafen. McCabe schlüpfte hinaus. Der Sanitäter und sein Kollege hoben Sophie auf eine Trage und hasteten mit ihr zum Notarztwagen.
McCabe drehte sich um. Der militärisch gekleidete Polizist hatte seine Dienstwaffe gezogen und auf ihn gerichtet. »Also gut, Sir. Bitte drehen Sie sich langsam um, und legen Sie beide Hände auf das Wagendach.«
McCabe gehorchte. »Ich bin Polizist«, sagte er. »Detective Sergeant Michael McCabe, Portland Police Department.«
Pause. »Wo sind Ihre Marke und Ihr Ausweis?«
»Gesäßtasche. Links.«
McCabe spürte, wie der andere in seine Tasche griff und die Brieftasche hervorzog. Er klappte sie auf und musterte sie.
»Okay, Sie können sich umdrehen«, sagte er und gab McCabe seinen Ausweis zurück. Dann steckte er seine Waffe wieder ein. »Da sind Sie aber ein kleines bisschen außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereichs gelandet, oder, Sergeant? Gibt es dafür einen Grund?«
McCabe stieß einen matten Seufzer aus. Er hatte keine Lust, einem übereifrigen Ex-Marinesoldaten seine Anwesenheit in Gray zu erklären oder mit ihm über Zuständigkeitsbereiche zu diskutieren. »Rufen Sie einfach Colonel Matthews an, und sagen Sie ihm, dass ich im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Mordfall Katie Dubois hier bin. Der Fall obliegt
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