The Cutting
der heißen Dusche stehen und streichelten sich gegenseitig.
Nach dem Abtrocknen legte McCabe sich auf den Rücken, und Kyra setzte sich auf ihn. Er drang in sie ein, und sie liebten sich, langsam, zärtlich, schweigend, lange Zeit. Dann schlief er ein, noch während er die horizontalen Streifen betrachtete, die von den ersten morgendlichen Sonnenstrahlen, welche durch die Lamellen der Holzjalousien fielen, auf Wand und Boden gezeichnet wurden.
Gegen halb acht wachte er auf. Seine Prellungen schmerzten, und er war enttäuscht, dass die andere Hälfte des Bettes leer war. Kyra musste früh aufgestanden und ins Atelier gegangen sein. Schade, er hätte sie gerne hiergehabt. Er hatte noch nicht genug von ihr. Er schlug die Decke zurück. Das Fenster war offen, und er war immer noch nackt. Die Morgenluft, die durch die Jalousien hereinströmte, streichelte angenehm kühl über seine zerkratzte Haut. Er griff sich eine uralte rote Trainingshose aus dem Kleiderhaufen, der hinter dem Schaukelstuhl auf dem Boden lag, und zog sie an. Der Schriftzug LAUFTEAM ST. BARNABAS, der sich das eine Hosenbein entlangzog, war das letzte verbliebene Zeugnis von Mike McCabes wenig erfolgreicher Karriere als Mittelstreckenläufer im Leichtathletikteam seiner Highschool. Er trat ans Fenster und verstellte die Lamellen der Jalousie, damit mehr Licht hereinkam. Dann blickte er auf die Casco Bay und die Inseln hinaus. Dieser Blick sowie die Tatsache, dass es keine anderthalb Kilometer Fußweg bis zur Polizeizentrale waren, hatten ihn vor drei Jahren, nachdem er zum Leiter des Dezernats für Personendelikte im Portland Police Department ernannt worden war, bewogen, diese Vier-Zimmer-Wohnung zu kaufen, obwohl er sie sich eigentlich gar nicht leisten konnte.
Es war einer dieser goldenen Septembermorgen. Kein Tag, an dem er sich freiwillig mit einer Mordermittlung oder einer Obduktion beschäftigt hätte. Draußen wehte eine kühle, frische Brise. Die Inselfähre tuckerte auf den Hafen von Portland zu, während gleichzeitig ein kleines Segelboot mit voll geblähtem, rot-weiß gestreiftem Spinnacker von links nach rechts durch sein Blickfeld glitt. Geistesabwesend befühlte er die knapp zwanzig Zentimeter lange alte Narbe an seinem Bauch. Sie war ein Souvenir aus seiner Anfängerzeit, damals, als er noch Uniform getragen hatte. Er war bei einer Verhaftung zu unvorsichtig gewesen, und ein mit Drogen vollgepumpter Teenager hatte ihn mit einem zehn Zentimeter langen Springmesser angegriffen. Damit hatte er nicht gerechnet, aber er hatte den Jungen nicht erschossen. Darauf war er stolz. Er hatte ihn festgenommen. Auch darauf war er stolz, aber er hatte sich geschworen, nie wieder so fahrlässig vorzugehen.
Es klopfte an die Schlafzimmertür. »Ja«, rief er.
Casey kam herein und ließ sich auf das Bett plumpsen. »Heute Nacht bei mir am Bett hast du ziemlich kaputt ausgesehen.«
»Ich war auch ziemlich kaputt.«
Sie platzierte die zerfledderten Überreste eines Stoffhasen auf ihrem Schoß. Sie hatte Bunny schon als Baby bekommen, und obwohl er mittlerweile nicht mehr als ein verfilzter Stofffetzen mit Ohren war, weigerte sie sich standhaft, ihn wegzuwerfen.
McCabe legte sich neben sie. »Hast du einen schönen Abend gehabt?«, erkundigte er sich.
»War ganz gut. Gretchen und Whitney waren ungefähr bis elf hier. Wir haben herumgehangen, bis Whitneys Mom sie abgeholt hat. Kyra ist so gegen halb elf gekommen. Ist sie schon wieder weg?«
»Ich glaube, sie ist in ihr Atelier gegangen.«
»Willst du Kyra heiraten?« Caseys Miene war ernst. Sie spielte mit Bunnys Ohren.
»Ich weiß nicht. Kann schon sein, aber noch nicht jetzt.« Er hatte keine Ahnung, wo dieses Gespräch hinführen sollte. »Was würdest du dazu sagen?«
»Ist dir das wichtig?«
»Was du dazu sagst? Ja. Sehr wichtig sogar.«
»Weiß nicht. Ich mag Kyra. Wäre sie dann meine Mom?«
»Deine Stiefmutter.«
»Findest du, dass ich Mom ähnlich sehe? Ich meine, meiner richtigen Mom?«
»Ja. Deine Mutter ist eine wunderschöne Frau. Und das wirst du auch sein.«
Er blickte auf ihre Hände und stellte überrascht fest, dass Casey ein Bild von Sandy in den Fingern hielt. Auf dem Foto lehnte sie mit abgeschnittenen Jeansshorts und Bikini-Oberteil am T-Bird. Die schwarzen Haare. Die eisblauen Augen. Das Gesicht, das die Kameras liebten.
»Wo hast du das denn gefunden?« Er hatte das Bild seit Jahren nicht mehr gesehen.
»Bei meinen Sachen«, antwortete sie. »Ich habe es aus New
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