The Cutting
könnte für unsere Fälle von Bedeutung sein, mindestens zwei Serienkiller.« Shockley plauderte noch eine Weile weiter, und McCabe war erleichtert, dass Charlie nicht noch einmal nachhakte. Über TwoTimes schien er nichts zu wissen. McCabe wollte nicht ausgerechnet jetzt von dieser alten Geschichte eingeholt werden.
Er setzte seine Betrachtung der einzelnen Gesichter in der Menge fort. Eines fiel ihm besonders auf, eine fremdländisch aussehende Frau um die vierzig, leger, aber teuer gekleidet. Eher Nobelboutique als Freizeitmodengeschäft. Auf McCabe machte sie einen unruhigen, nervösen Eindruck. Sie ließ unentwegt die Metallschnalle ihrer Lederhandtasche auf und zu schnappen und blinzelte häufig. Ihre Aufmerksamkeit schien, während Shockley sprach, auf McCabe gerichtet zu sein, aber jedes Mal, wenn er sie anschaute, wandte sie den Blick ab wie ein schüchternes Schulkind. Das geschah zwei, drei Mal, und McCabe war klar, dass sie mehr war als nur eine zufällige Passantin, mehr als eine von den Kameras angelockte Schaulustige. Sie hatte ihm etwas zu sagen. Er musste herausfinden, wer sie war und was sie hier wollte.
Sie musste irgendwie gespürt haben, was er dachte, denn noch bevor Shockley zu Ende gesprochen hatte, drehte sie sich plötzlich um und hastete davon. Er sah ihr nach, wie sie die Congress Street überquerte und dann die Exchange Street hinunterging. Er zögerte, vielleicht ein bisschen zu lange, aber dann kamen ihm die Worte seines Bruders Tommy in den Sinn – Du hast einen guten Instinkt, Mike. Lass dich von ihm leiten. –, und er rannte die dicht bevölkerte Rathaustreppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.
Er konnte hören, wie Shockley sagte: »Vielen Dank, meine Damen und Herren. Wie Sie sehen, verschwendet Sergeant McCabe keine Zeit und macht sich sofort wieder an die Ermittlungen.« Die Menge lachte dankbar.
McCabe wich den entgegenkommenden Autos aus, wurde fast von einem uralten Chevy-Pick-up über den Haufen gefahren, überquerte die Congress Street und rannte auf die Exchange. Zu spät. Sie war verschwunden. Er lief die Straße entlang, schaute nach links, schaute nach rechts, steckte den Kopf in Hauseingänge, einen Kostümladen, einen kleinen chinesischen Imbiss. Vielleicht war sie ja in eines der Geschäfte gehuscht. Er warf prüfende Blicke durch die Schaufenster. Weit konnte sie nicht sein. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein altes Backsteingebäude, in dem der Press Herald residierte. Er wusste, dass dort nahe dem Eingang ein Wachmann an einem Tresen saß. Er betrat das Gebäude, die Dienstmarke auf Augenhöhe. Er schob sich an zwei Männern und einer Frau vorbei, die gerade nach draußen wollten. »Tschuldigung. Tschuldigung. Tut mir
leid.«
Am Tresen stand eine Frau und füllte ein Anmeldeformular aus. »Entschuldigen Sie«, wandte er sich an den Wachmann. »Haben Sie zufällig eine attraktive, gut gekleidete Frau gesehen? Bräunliche Haare, so um die vierzig? Ziemlich in Eile?« Der Wachmann sah verwirrt aus. »Ist sie vielleicht hier hereingekommen? Vor einer Minute?« Der Mann zuckte mit den Schultern und schüttelte stumm den Kopf.
»Na, sind Sie hinter einer Verdächtigen her, McCabe?« Die Stimme kam aus dem Treppenhaus hinter dem Empfang. Sie gehörte Preston Summerville, einem der Herausgeber der Zeitung. »Sieht ganz so aus, als hätten Sie sie verloren. Eine gut gekleidete Frau mit bräunlichen Haaren?« Summervilles scharfe Reporter-Instinkte erwachten zum Leben. »Was hat sie denn angestellt? Vielleicht kann ich ja behilflich sein …?«
»Ist sie vielleicht zum Hinterausgang rausgegangen?«, wollte McCabe wissen. Im selben Moment stürmte Josie Tenant mitsamt Kameramann durch die Eingangstür.
»Hey, McCabe, was ist denn los?«, rief sie.
Er seufzte. Der Jäger jagt den Fuchs. Die Hunde jagen den Jäger. Die Hunde stellen den Jäger. Der Fuchs entkommt. So war es doch eigentlich nicht gedacht, oder?
»Tut mir leid«, meinte Summerville. »Ich hab nicht drauf geachtet.« McCabe ging durch die Tür, die zum Parkplatz führte. Er ließ den Blick über die parkenden Autos schweifen, aber er wusste, dass es vorbei war. Falls sie hier rausgegangen war, war sie jetzt verschwunden. Und falls nicht, falls sie auf der Exchange Street geblieben war, dann war sie jetzt ebenfalls verschwunden.
8
Samstag, 15.00 Uhr
Es war drei Uhr nachmittags. McCabe und Maggie Savage standen im Obduktionssaal des Pathologischen Instituts des
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