The Cutting
interessiert, ist, ob sie betäubt oder bereits hirntot war, als man ihr das Herz herausgeschnitten hat.«
»Und wenn nicht?«
»Wenn nicht, dann hätte sie unvorstellbare Qualen gelitten.«
Vielleicht ist ja genau das der entscheidende Kick für unseren Mann, dachte McCabe. »Wird die Blutanalyse darüber Aufschluss geben?«, erkundigte er sich.
»Ja. Ich sage euch so bald wie möglich Bescheid. Es wird eine Weile dauern, aber ich setze alle Hebel in Bewegung, damit das Labor sich beeilt.«
9
Samstag, 18.00 Uhr
Auf der Rückfahrt von Augusta klingelte McCabes Handy. »Hier McCabe.«
»Sergeant McCabe? Hier spricht Dr. Spencer. Phil Spencer. Meine Frau hat mir ausgerichtet, dass Sie mich sprechen wollten?«
»Das stimmt, Herr Dr. Spencer, ich würde mich freuen, wenn Sie eine halbe Stunde Zeit für mich hätten.«
»Hattie meinte, es ginge um die kleine Dubois«, erwiderte Spencer, und ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort: »Ich weiß nicht, inwiefern ich Ihnen diesbezüglich weiterhelfen kann, aber ich will es gerne versuchen. Ich habe eine Privatpraxis in der Klinik, im Levenson Heart Center. Das ist eine der Annehmlichkeiten, die die Klinik mir bietet. Vielleicht können Sie ja hierherkommen, in einer Stunde oder so. Sagen wir sieben Uhr, da könnte ich mir ein bisschen Zeit für Sie nehmen. Ich muss Sie aber warnen: Es kann sein, dass ich unser Gespräch mittendrin abbrechen muss. Ich erwarte eine frische Ernte.«
»Eine Ernte?«
»Ja. Wir ernten gerade ein Herz. Für eine Transplantation. Oder, um genau zu sein, ein Chirurg in New Hampshire erntet ein Herz.«
»Sie bezeichnen die Entnahme eines Herzens als ›Ernte‹?« McCabe fand den Begriff in diesem Zusammenhang ein wenig makaber.
»Ja. Organentnahme ist zwar politisch korrekter, aber ich habe fünfzehn Jahre lang ›ernten‹ gesagt, daher werde ich wohl auch dabei bleiben. Jedenfalls habe ich, sobald das Herz auf dem Weg hierher ist, nicht mehr viel Zeit zum Plaudern.«
McCabe warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Fünf nach sechs. Wenn er direkt durchfuhr, konnte er um 19.00 Uhr in der Klinik sein. »Also dann, wir sehen uns um sieben«, sagte er.
Es war ein schöner, warmer Abend, und er hatte das Hardtop des T-Bird eingefahren, um die untergehende Sonne so lange wie möglich genießen zu können. Auf der Straße war nicht viel los, und er erhöhte das Tempo, folgte erst der Interstate 95 und wechselte dann auf die I-295. Ein wenig früher als nötig erreichte er die Ausfahrt Congress Street in Portland, die zur Klinik
führte.
Er stellte den T-Bird auf dem gut gefüllten Besucherparkplatz ab und betrat durch eine überdimensionierte Drehtür das Klinik-Foyer. Vor einem mit mehreren älteren ehrenamtlichen Helferinnen besetzten Informationsschalter reihte er sich in die Schlange hinter einer ganzen Schar anderer Besucher ein und besah sich während der Wartezeit das Kommen und Gehen einer lädierten Menschheit. Eine alte Frau mit bandagierten Beinen schleppte sich unter Schmerzen zu einer Bank und ließ sich darauf fallen. Ein Mädchen von höchstens fünfzehn Jahren, vielleicht sogar in Caseys Alter, saß mit benommenem Gesichtsausdruck in einem Rollstuhl, ein neugeborenes Kind in den Armen. Ein Krankenhaushelfer schob den Rollstuhl in Richtung Ausgang. Dahinter folgte ein Paar im mittleren Alter, vermutlich die Eltern des Mädchens. Studenten und Assistenzärzte in weißen Kitteln, Stethoskope in den Taschen und Namensschilder an der Brust, wuselten wichtig um sie herum.
Schließlich lächelte ihn eine ältere Dame mit einem flauschigen Heiligenschein aus weißen Haaren von ihrem Platz hinter dem Tresen aus an: »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
»Ich würde gerne Dr. Spencer sprechen. Dr. Philip Spencer.«
»Selbstverständlich«, erwiderte sie. Ihr Tonfall ließ vermuten, dass sie größten Respekt vor Spencer hatte. »Die Praxisräume von Herrn Dr. Spencer befinden sich im Levenson Heart Center im Harmon-Flügel. Werden Sie erwartet?«
»Detective Michael McCabe.« Er klappte seine Brieftasche mit der Dienstmarke auf. »Ja, er erwartet mich.«
Sie griff zum Telefon, um McCabe anzumelden. Dann nickte sie, was augenscheinlich der Person am anderen Ende der Leitung galt, und hob den Kopf. »Folgen Sie diesem Gang hier bis zum Ende, dann gehen Sie links und dann die erste wieder rechts. Fahren Sie mit dem Fahrstuhl in den sechsten Stock. Das Herzzentrum ist ausgeschildert. Dort fragen Sie am besten nochmal. Soll ich Ihnen
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