The Cutting
wundervolle kleine Mädchen bei mir behalten und Sandy nicht. Ich kriege all ihre Liebe und Sandy überhaupt nichts?‹ Indem du deine Sachen gepackt und sechs Stunden weit weggezogen bist, wolltest du damit nicht vielleicht auch erreichen, dass es dabei bleibt?«
»Nein.«
»Nein?«
»Nein. Auf gar keinen Fall.« McCabe sprach mit leiser Stimme. »Ob ich froh darüber bin, dass Casey bei mir lebt und nicht bei Sandy? Auf jeden Fall. Aber wenn du mich fragst, ob ich froh darüber bin, dass meine dreizehnjährige Tochter sich von ihrer Mutter verlassen fühlt und dadurch noch stärker an mir hängt, dann ist die Antwort Nein. Niemals. Nicht damals. Nicht heute. Niemals.«
»Okay. Wenn das wirklich stimmt, solltest du dich dann über Sandys Kontaktaufnahme nicht eher freuen? Ich finde, Casey hat das Recht, ihre Mutter kennenzulernen. Du hast selbst gesagt, dass das vielleicht auch der Grund war, warum sie dir dieses Bild gezeigt hat. Was für ein unglaublicher Zufall, dass Sandy ausgerechnet am selben Tag anruft. Mir ist schon klar, dass eine Begegnung der beiden keine Entschädigung für das Geschehene sein kann, aber meinst du nicht, dass es vielleicht ein Neubeginn sein könnte?«
McCabe starrte Kyra in die Augen und sagte kein Wort. Vielleicht hatte sie ja Recht. Wahrscheinlich hatte sie Recht. Aber im Moment waren seine Wut und sein Schmerz noch zu groß, als dass er das hätte zugeben können.
Schließlich stand Kyra auf. »Okay. Ich gehe jetzt nach Hause. Sarahs Mutter hat gesagt, dass sie Casey wieder herbringt. Wenn sie da ist, versuch, deine Gefühle im Griff zu behalten. Überleg dir ganz genau, was du über Sandy sagst und wie Casey deiner Meinung nach auf ihren Vorschlag reagieren soll. Überleg dir, welchen Einfluss das auf deine Beziehung zu deiner Tochter haben wird. Nicht nur jetzt, sondern auch auf wirklich lange Sicht gesehen.« Sie beugte sich zu ihm herab und küsste ihn auf den Mund. Er nahm es kaum wahr. Dann war sie weg.
McCabe wählte Sandys Nummer in New York. Sie nahm beim zweiten Klingeln ab. Er war ein wenig erstaunt, dass sie an einem Samstagabend zu Hause war. »Hallo, McCabe«, sagte sie. »Ich hab mir schon gedacht, dass du dich melden würdest.« Sie sprach immer noch mit diesem weichen, kehligen Schnurren, das ihm so vertraut war und das er einst so unwiderstehlich gefunden hatte. Wie die junge Lauren Bacall, die in Haben und Nichthaben an der Tür lehnt: »Du weißt doch, wie man pfeift, oder, Steve? Du spitzt einfach die Lippen und bläst.«
»Wie geht’s dir, Sandy?«
»Danke, sehr gut, und selbst?«
»Könnte nicht besser sein. Danke der Nachfrage.«
»Was kann ich für dich tun, McCabe? Ich meine, nachdem wir uns jetzt gegenseitig versichert haben, dass es uns gut geht. Es geht uns doch gut, oder?«
»Nicht in jeder Hinsicht. Ich finde, du solltest nicht nach Portland kommen. Zumindest nicht jetzt. Casey will dich nicht sehen und ich auch nicht. Abgesehen von allem anderen stecke ich gerade mitten in einem großen Mordfall.«
»Ich weiß. Die Geschichte hat es sogar bis in die New Yorker Zeitungen geschafft. Große Schlagzeilen in der News und der Post. MORD IN MAINE. TEENAGER VERGEWALTIGT UND VERSTÜMMELT. Ziemlich düster. Dein Chef kann jedenfalls gut reden. Vielleicht wäre Casey ja hier in Manhattan sogar sicherer. Bei uns gibt es wenigstens nur die üblichen 08/15-Verrückten.«
»Wie gesagt, Casey möchte dich nicht sehen.«
»Hat sie das gesagt?«
»Das hat sie tatsächlich gesagt. Sogar noch bevor du angerufen hast.«
»Tja, das könnte ein Problem werden, McCabe. Nur falls du es vergessen haben solltest, ich bin immer noch Caseys Mutter, und ich beabsichtige, ein wenig Zeit mit meiner Tochter zu verbringen, bevor noch mehr Zeit ins Land geht.«
»Deiner Tochter? Du hast tatsächlich die Stirn, sie so zu nennen, nachdem du sie einfach hast sitzen lassen, weil der Typ mit der dicken Brieftasche keine Lust hatte, ›die Kinder anderer Leute großzuziehen‹? Das waren doch seine Worte, oder etwa nicht, Sandy? ›Die Kinder anderer Leute großziehen.‹ Du kennst mich. Ich vergesse nie einen Satz – und im Übrigen auch sonst
nichts.«
»Jetzt lass uns nicht gleich wieder streiten, McCabe. Als Caseys Mutter habe ich jedes Recht der Welt, sie zu besuchen und Zeit mit ihr zu verbringen. Ich möchte mir dieses Recht nicht vor Gericht erkämpfen müssen, aber dazu wäre ich bereit, und dank Peter – oder dem Typen mit der dicken Brieftasche, wie du ihn
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