The Cutting
besuchen.«
Er blieb einen Augenblick lang regungslos stehen, während er die Information verdaute. »Wann?«
»Am Wochenende.«
»Weiß Casey schon Bescheid?«
»Ja. Sie war selbst am Telefon. Sie haben ein paar Minuten miteinander geredet.« Kyra reichte ihm sein Glas, setzte sich auf das Sofa und nippte an ihrem Drink. Es war das erste Mal, dass er sie etwas Hochprozentiges trinken sah.
»Wie hat sie reagiert?«, wollte er wissen.
»Nach allem, was ich mitbekommen habe, hat sie Sandy ziemlich auflaufen lassen. Sie hat gesagt, dass sie sie nicht sehen will. Ganz cool. Nach ein, zwei Minuten hat sie aufgelegt. Ich habe sie gefragt, wer angerufen hat, und sie hat es mir gesagt.«
»Wie geht es ihr jetzt?«
»Ich weiß nicht. Es ist nicht einfach, mit dem Verlassenwerden klarzukommen.«
McCabe saß auf der breiten Fensterbank und blickte auf die eine Million Lichter eines riesigen weißen Kreuzfahrtschiffes hinab, das sich gerade aus dem Hafen von Portland schob. Die Princess irgendwas. Kyra streifte ihre Sandalen ab und streckte sich auf dem Sofa aus. Sie wirkte, als fühlte sie sich hier zu Hause.
»Wo ist Casey jetzt?«, fragte er.
»Ich habe ihr etwas zu essen gemacht und sie dann zu Sarah Palfrey gebracht. Vermutlich zum Fernsehen und Hausaufgabenmachen. So kannst du dir über deine Gefühle klarwerden, bevor du mit ihr darüber sprichst.«
McCabe wurde von einer plötzlichen Wut gepackt. »Ich weiß ganz genau, was ich fühle«, sagte er. »Sandy hat kein Recht, einfach so mir nichts, dir nichts wieder in Caseys Leben zu platzen. Nicht nach drei Jahren völliger Funkstille.«
»Du hast mir nie viel von deiner Beziehung zu Sandy erzählt.«
»Du hast mich auch nie danach gefragt.«
»Jetzt frage ich dich.«
McCabe seufzte. Seine Wut verebbte. Er sprach nicht gern über seine gescheiterte erste Ehe, aber vielleicht täte es ihm ja gut – und vielleicht hatte Kyra auch ein Recht, es zu erfahren. Er holte tief Luft, hielt sie eine Weile an, atmete langsam aus und fing dann an zu reden.
»Die Beziehung zu Sandy war eigentlich in jeder Hinsicht anders als das, was wir beide miteinander haben. Das Fundament war die Lust, nicht die Liebe. Das gilt für den Anfang und sogar noch mehr für das Ende. Während der letzten Jahre gab es zwischen Sandy und mir nichts anderes mehr als Sex. Das hat niemals aufgehört. Sie hat es immer wieder geschafft, mich scharf zu machen, und das hat sie mir auch wahnsinnig gerne demonstriert. Aber meine Gefühle, die haben sich nur um Casey gedreht – und um meinen Job, schätze ich. Du weißt ja, wie ich bin. Wenn ich mich mit einem Fall beschäftige, dann kann ich das nicht einfach an- und wieder ausknipsen. Dann nimmt mich die Arbeit voll und ganz in Anspruch. Sandy ist damit nicht klargekommen. Sie hat es gehasst.«
McCabe ließ den Whisky in seinem Waterford-Glas kreisen. Ein Hochzeitsgeschenk seiner Schwester Fran. Es waren insgesamt vier Stück gewesen. Sandy hatte zwei mit in ihr neues Leben genommen. Eines hatte er beim Umzug nach Portland zerbrochen. Das hier war das letzte.
Kyra sah zu, wie er sein Glas leerte. »Hast du sie denn zu Anfang geliebt?«
»Das habe ich zumindest gedacht. Aber leider konnte Sandy mit meiner Liebe nicht allzu viel anfangen. Sie liebte sich selbst schon mehr als genug. Und am Schluss waren alle Gefühle, die ich vielleicht mal für sie hatte, einfach verschwunden.«
»Warum hast du dich nicht früher von ihr getrennt? Die Scheidung eingereicht?«
»Ich habe immer wieder daran gedacht.«
»Und warum hast du’s nicht getan?«
»Weil ich Angst hatte, Casey zu verlieren. In der Regel bekommt dann ja die Mutter das Sorgerecht. Der Vater darf das Kind ab und zu besuchen. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Ich war vom ersten Augenblick an total verliebt in meine Tochter, und ich wollte sie unbedingt bei mir haben.« McCabe erhob sich von der Fensterbank und ging in die Küche, um sich noch einen Whisky einzuschenken. Er hielt die Flasche hoch. »Willst du auch noch einen Schluck?«
»Nein, danke, für mich nicht. Und du solltest vielleicht auch nichts mehr trinken.«
»Das geht schon in Ordnung«, erwiderte er. Er schenkte sich ein und kehrte zum Fenster zurück. »Letztendlich hat Sandy das Problem für mich gelöst. Sie hat angefangen, mit einem reichen Banker zu vögeln. War übrigens nicht ihre erste Affäre. Aber er war der Erste, der sie gefragt hat, ob sie ihn heiraten will. Sie hat mich verlassen, ohne ein einziges Mal
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