The Cutting
als würde auch er sich im stetigen Auf und Ab dem Orgasmus nähern.
Als sie gekommen war und Lucas gekommen war, blieb Hattie ein paar Minuten lang liegen und überlegte, was sie getan hatte und wieso sie es getan hatte. Schließlich stand sie auf und ging hinüber zu Philip, der immer noch im Sessel saß und zusah. »Philip, ich möchte, dass du weißt«, sagte sie in genau demselben sachlichen Tonfall, in dem sie auch die Wahl zur Vorsitzenden der Junior League angenommen hatte, »dass das mit Abstand der beste Fick meines Lebens war.« Dann zog Hattie sich wieder an und ging. Alleine.
Sie war schon lange weg, als Eduardo oder Carlos, oder wie immer er geheißen haben mochte, anfing, sich in Schmerzkrämpfen zu winden, und eiligst in die Notaufnahme gebracht werden musste. Lucas hatte es trotz seines völlig benebelten Zustandes irgendwie geschafft, den immer noch nackten und wild um sich schlagenden jungen Mann die vier steilen Treppen hinunterzutragen und mit dem Taxi ins Bellevue Hospital zu schaffen. Vermutlich musste sie ihm sogar zugutehalten, dass er nie ein Wort darüber verloren hatte, dass sie und Philip auch in der Wohnung gewesen waren. Oder darüber, was sie getan hatten. Der Tänzer hatte überlebt, aber es war denkbar knapp gewesen. In den Wochen danach hatte eine offizielle Untersuchung der Vorfälle stattgefunden. Ohne die Einzelheiten zu kennen, wusste sie, dass Lucas zwar nicht strafrechtlich belangt worden war, jedoch seine ärztliche Zulassung verloren hatte. Danach war er aus ihrem Leben verschwunden. Philip erwähnte weder ihn noch jenen Abend jemals wieder. Und auch Hattie ließ die ganze Sache auf sich beruhen. Sie dachte, dass sie Lucas nie wiedersehen würde, und war zufrieden damit. Dann, vor vier Jahren, hatte Philip ihr erzählt, dass Lucas tot war.
Hattie hörte, wie die Haustür aufgeschlossen und wieder zugezogen wurde. Philip. Das Licht im Erdgeschoss ging an. Sie warf einen Blick auf ihr Glas. Es war leer. Sie hätte gerne noch einen Drink gehabt, wollte aber Philip nicht über den Weg laufen, und das ließe sich nicht vermeiden, wenn sie jetzt nach unten ginge. Also stellte sie das leere Glas auf den Kaminsims im Schlafzimmer, schlüpfte aus den Gartensachen, warf sie auf einen Haufen in einer Ecke ihres begehbaren Kleiderschranks und schloss sich im Badezimmer ein. Sie drehte die Dusche auf und betrachtete sich in dem langen, bis zum Boden reichenden Spiegel. Immer noch schlank. Immer noch attraktiv. Abgesehen von der Narbe, dort, wo einmal ihre linke Brust gewesen war. Die andere kam ihr so klein vor, so einsam, so verwaist. Der Krebs war vor vier Jahren herausgeschnitten worden, eine komplette Amputation, auf Philips Drängen hin. Sie hatte sich gefügt, obwohl ihr eigener Arzt ihr zu weniger radikalen Maßnahmen geraten hatte. »Das ist mit Abstand das sicherste Vorgehen«, hatte Philip ihr versichert. Philip, das selbsternannte Orakel. Philip, der besorgte Ehemann. Philip, der Schlitzer und Schnippler. »Mit Abstand die beste Methode, um wirklich alles zu erwischen.«
Danach hatte sie sich, voller Wut auf sich selbst und auf Philip, gegen einen kosmetischen Wiederaufbau der Brust entschieden. Schließlich war Philip der Einzige, der sie nackt zu sehen bekam, und es war ihr wichtig, dass er sich nie wieder am Anblick ihres Körpers erfreuen konnte. Dass er niemals vergaß, was er getan hatte.
Hattie stellte sich unter die Dusche und ließ das Wasser über ihren Körper laufen, so heiß, dass sie es gerade noch ertragen konnte. Sie schrubbte sich immer und immer wieder mit dem Luffaschwamm ab, bis ihre Haut sich ganz wund anfühlte. Dann trocknete sie sich ab, kämmte sich die Haare und schlüpfte in eine saubere Jeans und ein frisches Sweatshirt.
Sie ging nach unten. Philip saß im Salon und las. Sie beachtete ihn nicht, durchquerte das Wohnzimmer und schenkte sich noch einmal drei Fingerbreit Gin ein. Dann ging sie in die Küche und ließ ein paar Eiswürfel ins Glas fallen. »Ich nehme einen Scotch«, hörte sie Philip rufen. »Den Single Malt. Ohne Eis.« Sie schenkte ein und brachte ihm das Glas. Dann setzte sie sich auf den kleinen Ledersessel ihm gegenüber und nippte an ihrem Gin. Philip las weiter. Das lauteste Geräusch im ganzen Haus war das Ticken der antiken Standuhr aus Walnuss-Wurzelholz, die Hattie von ihrem Großvater geerbt hatte. Während sie noch ein Schlückchen nahm, überkam sie das vertraute Gefühl der nachlassenden Anspannung, das tröstende
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