The Cutting
Verlobte gevögelt, als der Bulle erschossen wurde«, hatte TwoTimes gesagt. »Ja, sie kann es bestätigen. Ihre Mama war auch da, und die kann’s auch bestätigen.«
»Ja, Euer Ehren«, sagte die Verlobte, »das stimmt. Er hat mich die ganze Zeit gevögelt, also kann er den Mann gar nicht erschossen haben. Ich schwör’s.«
»Ja, Euer Ehren«, pflichtete die Mama bei. »TwoTimes hat meine Kleine gebumst. Er hat’s ihr so dermaßen besorgt, ich konnt’s gar nich glauben. Also kann er den Bullen da nicht erschossen haben. Niemals. Nein, Sir. Ausgeschlossen.«
Natürlich alles erstunken und erlogen, aber der Polizistenmörder war freigekommen. Früher hätte es so was nicht gegeben. Das hätte McCabes Vater, ein pensionierter und hochdekorierter Captain, gesagt, wenn er damals noch am Leben gewesen wäre. Es wäre niemals zum Prozess gekommen. Ein Verbrecher widersetzt sich der Festnahme und wird erschossen. Niemand hätte Fragen gestellt. Niemand hätte Antworten verlangt. Eine einfache Lösung für ein einfaches Problem. Unkompliziert – und respektabel. Aber Dad war tot und Tommy auch, und die einfachen Lösungen waren nicht mehr so einfach.
McCabe erwachte aus seinem Tagtraum. Casey durchquerte auf ihrem Weg in die Küche das Wohnzimmer. »Du sollst doch die Waffe ablegen, wenn du zu Hause bist«, sagte sie, ohne ihn wirklich eines Blickes zu würdigen. »Der Anblick übt einen schlechten Einfluss auf ein leicht zu beeindruckendes Kind aus.«
»Du hast Recht«, erwiderte er. Er stand auf, ging ins Schlafzimmer und legte die Fünfundvierziger in die verschließbare Kiste in seinem Schrank, in dem er auch das Gewehr aufbewahrte. Ohne Waffe fühlte er sich nackt.
Er hörte die Kühlschranktür auf- und wieder zuklappen. Dann streckte Casey den Kopf zur Schlafzimmertür herein. Sie hielt eine Dose Cola in der Hand. »Ich will sie nicht sehen. Das habe ich ihr auch gesagt, aber sie will trotzdem herkommen.«
»Hat sie nochmal angerufen?«
»Ja. Als ich vom Fußballtraining nach Hause gekommen bin.«
»Casey, vielleicht musst du sie sehen. Wir haben da womöglich gar nichts mitzureden. Hast du dir schon mal überlegt, wieso du sie nicht sehen willst?«
»Ich weiß nicht. Ich will einfach nicht. Sie ist echt ’ne Hexe, weißt du.« Casey ging wieder in ihr Zimmer.
McCabe folgte ihr. Erneut stand er in ihrer offenen Tür. »Na ja, du kennst sie nicht so besonders gut. Vielleicht wird sie dir ja sympathischer, wenn du sie erst mal ein bisschen näher kennengelernt hast.«
»Das glaube ich nicht, und ich verstehe auch gar nicht, wieso du so was zu mir sagst!«
Er verstand es auch nicht. Er wollte ihr das unvermeidliche Zusammentreffen einfach nur so leicht wie möglich machen. Außerdem wollte er die Diskussion gerne beenden, aber Casey redete weiter. »Ich verstehe das nicht. Du hasst sie doch genauso sehr wie ich, und trotzdem tust du so, als wär sie ’ne ganz normale Mama oder so, obwohl du genau weißt, dass das Quatsch ist. Du brauchst sie mir gar nicht schönzureden, ich nehm’s dir sowieso nicht ab.« Sie machte die Tür zu, und McCabe stand davor und starrte das Holz an.
Er wusste beim besten Willen nicht, was er jetzt noch machen oder sagen sollte. Am liebsten hätte er ihr durch die Tür hindurch zugerufen, dass er ihr ganz bestimmt nichts schönreden wollte und am allerwenigsten Sandy. Aber irgendwie kam ihm das ziemlich dämlich vor: einer Dreizehnjährigen durch eine geschlossene Tür hindurch etwas zuzurufen, auch wenn diese Dreizehnjährige sich manchmal anhörte, als wäre sie schon dreißig. Also ließ er es sein. Er ging einfach in die Küche zurück, holte sich ein zweites Bier, griff nach dem Briefumschlag, den ihm jemand in den Briefkasten geworfen hatte, und ließ sich wieder in den großen Sessel sinken.
In dem Umschlag steckte ein einzelnes liniertes Blatt, das aussah, als wäre es aus einem Schulheft gerissen worden. Die Nachricht war in den gleichen Blockbuchstaben geschrieben worden wie seine Adresse auf dem Umschlag. Vermutlich wollte die Schreiberin ihre Handschrift verstellen. Er ging davon aus, dass es sich um eine Schreiberin handelte. Um die Frau, die er in der Exchange Street und in der Kirche gesehen hatte. McCabe, stand da. Treffen am Dienstagabend, 21.00 Uhr. Es geht um den Mord. Kommen Sie mit Ihrem roten Auto. Alleine. Das Wort alleine war zweimal unterstrichen. Fahren Sie auf der Autobahn nach Norden bis zur Ausfahrt Gray. Folgen Sie der Gray Road ca. 10 km
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