The Cutting
TwoTimes war verschwunden. Jetzt stand Sandy am oberen Treppenabsatz. Sie trug ein Nachthemd aus hauchdünner Seide. Darunter glänzte ihr nackter Körper weiß im Schein des Mondes. Sie streckte die Hand aus, lockte ihn zu sich. »Komm rauf, McCabe.« Wieder einmal Sandy als die junge Lauren Bacall.
McCabe streckte die Hand nach ihr aus, die Hand, die immer noch die Glock hielt. Die Waffe streifte ihren Körper. Er drückte ab, und das Bild von Sandy zersplitterte in tausend Scherben, Bildfragmente in einem zerbrochenen Spiegel, der sich nie wieder zusammensetzen lassen würde.
Er schreckte auf, sein Körper war schweißüberströmt. Er sah hinüber zu Kyra, die immer noch schlief. Ob er sie aufwecken sollte? Aber was immer das alles zu bedeuten hatte, ihm war klar, dass es dabei nicht um Kyra ging und auch nicht um Sex. Also blieb er einfach liegen, starrte in die Dunkelheit, atmete tief und langsam ein und aus, so lange, bis die bösen Träume ihn in Ruhe ließen.
25
Dienstag, 6.30 Uhr
Kyra und McCabe lagen Seite an Seite, Hand in Hand, Bein an Bein in dem schmalen Doppelbett.
»Erzähl mir von TwoTimes«, sagte sie.
Er warf ihr einen Blick zu, und zwischen seinen Augenbrauen erschienen ein paar Falten. »Das hab ich dir doch schon erzählt.«
»Aber nicht alles, glaube ich.«
»Was willst du wissen?«
»Ich will wissen, wieso du Albträume hast und im Schlaf seinen Namen sagst. Seinen Namen und den deines Bruders. Und Sandys.«
McCabe starrte schweigend hinauf an die Gipsdecke des Altbauzimmers und verfolgte einen Riss, der immer wieder ausgebessert worden und mittlerweile zum zehnten Mal wieder aufgetaucht war. »Ich muss unbedingt diesen Riss da reparieren«, sagte er.
»Hör zu, McCabe, du sagst, du liebst mich. Du sagst sogar, du könntest dir vorstellen, mich zu heiraten. Wenn das wahr ist und du mich wirklich zur Frau haben willst und nicht nur als warmen Körper, mit dem man schön kuscheln kann, dann muss ich die ganze Geschichte erfahren.«
»Das meiste weißt du schon«, erwiderte er. »TwoTimes war ein unbedeutender Crack-Dealer in der South Bronx. Eigentlich noch ein Kind. Neunzehn Jahre alt, als ich ihm die Kugel in den Schädel gejagt habe. Er hatte ein Netz von Straßenverkäufern aufgebaut, allesamt minderjährig, manche sogar erst zehn, zwölf Jahre alt. Damit die Kids, falls sie von der Polizei erwischt wurden, mit einer Jugendstrafe davonkamen.«
»Und Tommy war beim Rauschgiftdezernat?«
»Ja. Tommy, der Drogenfahnder. Ein richtiger Heißsporn. Ich habe die Filmakademie abgebrochen und mich am John Jay College of Criminal Justice eingeschrieben, weil ich in seine Fußstapfen treten wollte. Tommy wusste genau, wie der Hase läuft. Er hat ein paar wichtige Figuren hopsgenommen. Was ich nicht wusste, was ich aber hätte wissen müssen, war, dass Tommy, als er mit TwoTimes aneinandergeraten ist, bereits übergelaufen war.«
»Übergelaufen?«
»Er hatte die Seiten gewechselt. War bestechlich geworden. Hat von einem halben Dutzend Dealer in der Bronx Geld und Drogen angenommen. Die meisten von denen waren deutlich größere Nummern als TwoTimes.«
»Das hast du mir noch nie erzählt.«
»Ich rede auch nicht gern darüber. Jedenfalls wurde TwoTimes langsam größenwahnsinnig. Er wollte sein Revier ausdehnen und ist dabei ein paar Typen in die Quere gekommen, die das gar nicht so gut aufgenommen haben. Also haben sie ihren Problemlöser damit beauftragt, TwoTimes aus dem Weg zu schaffen.«
»Tommy?«
»Ja. Tommy. Willst du einen Kaffee? Ich kann uns Kaffee machen.«
»Nein, danke. Erst wenn ich wirklich alles gehört habe.«
McCabe seufzte. »Das Problem war, dass Tommy gierig geworden ist. Er will TwoTimes nicht umlegen, weil er dadurch eine nette Einnahmequelle verloren hätte. Also beschließt er, ihm die Sache auszureden. Tommy dachte immer, er könnte jedem Menschen alles ausreden. Er geht also rüber zu TwoTimes, der in einem runtergekommenen Apartment in der Merced Street wohnt, und sagt, er solle aufhören, den großen Fischen Schwierigkeiten zu machen. TwoTimes sagt: ›Was zur Hölle faselst du da? Du arbeitest für mich.‹ Also erzählt Tommy TwoTimes, dass er auch noch ein paar andere Klienten hat und dass er ihn festnehmen müsse, falls TwoTimes nicht aufhört, in deren Geschäften rumzupfuschen.«
»Das hat Tommy gesagt?«
»Ja, aber TwoTimes ist zu schlau dafür. Er weiß, dass Tommy nie im Leben jemanden festnehmen würde, der vor Gericht bezeugen kann,
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