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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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das letzte Mal außerhalb der Mauer gesehen hatte. Eine leise, verlorene Stimme in ihrem Kopf fragte, weshalb ihre Mutter ihr nichts gesagt hatte, dann wurde Gaia von ihren Gefühlen über wältigt. Ehe sie sich zurückhalten konnte, trat sie einen Schritt vor.
    Gaias Mutter hob müde, apathisch den Blick in ihre Richtung. Gaia erschrak, wie sehr sie sich verändert hatte. Ihre lebhafte, fröhliche Mutter sah erschöpft und völlig entmutigt aus. Ihre einst starken und geschickten Arme waren bis auf die Knochen abgemagert. Ihre Lippen und Wangen hatten den gleichen, farblosen Ton, und dunkle Ringe lagen unter ihren glanzlosen Augen. Ihr langer Zopf war verschwunden, stattdessen hing ihr das schlaffe Haar in verfilzten Strähnen in den Nacken. Es schien, als hätte sich alles Leben aus ihrem Körper zurückgezogen und in ihrem Bauch konzentriert, um ihr Kind am Leben zu halten. Zurück blieb nur die Hülle einer Mutter.
    »Wer ist das?«, fragte Gaias Mutter mit lebloser Stimme.
    »Ein Junge vom Markt«, sagte Schwester Khol.
    Gaias Mutter wandte ihren leeren Blick ab, und Gaia sehnte sich nach ihr.
    »Komm jetzt«, sagte Schwester Khol. »Wir brauchen eine Urinprobe.«
    »Wir brauchen überhaupt nichts.« Gaias Mutter wandte sich ab und legte sich wieder hin.
    »Nein«, sagte Schwester Khol und fing sie rasch auf. Sephie erhob sich und half ihr, und gemeinsam stellten sie Gaias Mutter auf ihre wackligen Beine. Sephie half ihr, zwei braune Pantoffeln überzustreifen.
    »Es dauert nur eine Minute«, sagte Sephie leise. »Wirklich, Bonnie, es muss sein. Denk an das Kind.«
    Gaias Mutter presste die Lippen zusammen und ließ zu, dass Sephie sie in einen Nebenraum führte, während Schwester Khol hinter ihnen herglitt.
    Ihre Mutter war schwanger. Und schrecklich schwach. Wie um alles in der Welt sollte Gaia ihr zur Flucht verhelfen?
    »Alles in Ordnung, Bonnie?«, fragte Schwester Khol.
    Gaia versuchte zu begreifen, weshalb Schwester Khol nicht erwähnt hatte, dass ihre Mutter schwanger war. Da begriff sie, dass sie davon ausgegangen war, dass Gaia das schon wusste.
    »Lassen wir ihr ein wenig Privatsphäre«, antwortete Sephie. Sie schloss die Tür, dann setzte sie sich wieder in ihren Schaukelstuhl vor dem Kamin und strickte. Ihre Nadeln machten ein angenehmes Geräusch in dem kleinen Raum, und als Gaia sich hilfesuchend umsah, fiel ihr auf, was für eine ungewöhnliche Zelle es war. Der Raum war beinahe gemütlich. Die runden Wände waren aus dunklem Stein, doch tief in der Feuerstelle glomm ein kleines Feuer zum Kochen, und der Boden war mit einem weichen Teppich mit Rosenmustern ausgelegt. Vor den drei Fenstern, die den hellen Nachmittagshimmel zeigten, hingen weiße Vorhänge, und in einem Schrank standen Kochgeschirr und ein paar Bücher. An den konisch angeordneten Holzsparren der Decke hing ein Ventilator, der die Luft mit seinem geduldigen Kreiseln in Bewegung hielt.
    Sephie griff nach einem Kessel neben dem Feuer. »Lust auf eine Tasse Tee, bevor du gehst, Joyce?«, fragte sie.
    Schwester Khol wühlte in dem Korb, den Gaia getragen hatte, hob triumphierend eine kleine schwarze Dose hoch und schüttelte sie. »Ich hatte so eine Ahnung, dass du mich das fragen würdest«, sagte sie. »Es ist eine feine Mischung mit einer Spur von Vanille.«
    Die andere Frau lächelte und schob sich das Haar zurück. »Du bist ein Wunder.«
    Sephie nahm den Deckel vom Kessel und schüttete etwas von Schwester Khols Tee hinein. Schwester Khol wandte sich an die dritte Frau.
    »Wie geht es dir, Julia?«, fragte sie.
    »Ich hatte schon bessere Arbeit. Hier ist es die meiste Zeit sterbenslangweilig«, sagte Julia. Sie flocht sich mit geschickten Fingern einen neuen Zopf. »Dabei hieß es doch, sie sei eine Gefahr für sich selbst und alle in ihrer Nähe.«
    Sephies Brauen hoben sich in einer Weise, die Gaia für eine Geste der Geringschätzung hielt. Sie stellte drei Tassen und Untertassen vor das Feuer. Dann richtete sich ihr Blick erneut auf Gaia, und ihre Augen verengten sich plötzlich.
    »Du da«, sagte Sephie.
    Gaias Herz blieb stehen. »Ja, Schwester?« Sie hielt ihre Stimme gesenkt. Sephie sah sie stirnrunzelnd an, und Gaia wappnete sich. Standhaft begegnete sie dem Blick der älteren Ärztin, und als Sephie stumm den Kopf schief legte, widerstand Gaia dem Impuls, ihre Geste nachzuahmen.
    Sephies Brauen hoben sich, sie zuckte kurz zusammen, dann machte sie ein schnalzendes Geräusch. »Ich hatte auch einmal eine gute

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