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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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versuchen.«
    »Warum?«, fragte er.
    Sie stand ganz aufrecht. »Weil es das ist, was ich tue«, sagte sie.
    »Babys entbinden?«, vergewisserte er sich.
    Sie nickte.
    »Niemand hat dir aufgetragen, das zu tun? Du arbeitest für niemanden?«
    Verwirrt blickte sie ihn an. »Wer sollte mir so etwas auftragen?«
    Als er nicht antwortete, fiel ihr wieder ein, wie Sergeant Lanchester ihr vorgeschlagen hatte, ihm Babys gegen Bezahlung zu liefern, und sie fragte sich, wie groß dieser Schwarzmarkt war. Oder vielleicht gab es ja jemanden, der dieses Baby haben wollte, jemanden, der nicht einer Meinung mit der Enklave war. Ihr ging auf, dass sie nicht den blassesten Schimmer von solchen Dingen hatte. Das lag aber daran, dass sie unschuldig war. Sie wünschte, er würde das auch erkennen.
    Captain Grey nahm einen Bleistift zur Hand und klopfte mit dem Radiergummi sacht auf das Nadelkissen. »Gaia, ich frage dich ein weiteres Mal, ob du irgendetwas über die Aufzeichnungen deiner Mutter weißt.«
    Die Haut in ihrem Nacken prickelte, und sie fragte sich, wie es sein konnte, dass ihm das Band nicht aufgefallen war, das ihr Haar zurückhielt. »Ich weiß von nichts, Captain Grey«, sagte sie.
    Seine blauen Augen musterten sie misstrauisch. Die höhnische Betonung seines Rangs war ihm nicht entgangen. »Ich weiß, dass du lügst«, sagte er. »Ich hoffte, du würdest von selbst erkennen, dass es das Beste für alle wäre, uns die Aufzeichnungen zu geben.«
    »Warum sind die so wichtig?«, fragte sie.
    »Hat dir denn niemand erklärt, wie das System funktioniert?«
    »Was gibt es da zu erklären?«, fragte sie. Betrachtet durch das Prisma der Ungerechtigkeit, die ihr innerhalb der Mauer widerfahren war, sah sie ihr Leben in Wharfton mit neuer Klarheit, und sie konnte ihren Sarkasmus kaum zügeln. »Wir bringen eine bestimmte Quote vor, und, seien wir doch einmal ehrlich, kein Einziger will je zurück. Also sind sie offensichtlich ganz glücklich hier drinnen. Wenn ihr nicht gerade beschließt, ein paar von ihnen hinzurichten. Im Gegenzug für die Babys, die wir vorbringen, haben wir sauberes Wasser und gerade genug, eine an sich entbehrliche Bevölkerung außerhalb der Mauer in Armut leben zu lassen. Wir sind eine Art Reserve für den Fall, dass die Enklave ein paar zusätzliche Soldaten oder Feldarbeiter oder Babys braucht. Ist es nicht so? Oder ist mir ein wichtiges Detail entgangen?«
    Captain Grey ging stirnrunzelnd ein paar Schritte in Richtung Fenster und drehte sich dann zu ihr um.
    »Es scheint, es hat dir doch nicht die Sprache verschlagen. Warum nimmst du nicht Platz?«, fragte er.
    »Warum bindet Ihr mich nicht los?«, konterte sie.
    »Das kann ich nicht«, sagte er.
    Jetzt war sie überrascht. »Aber Ihr habt doch die Befehlsgewalt hier.«
    Er lachte kurz und bitter. »Ich tue für dich, was ich kann, auch wenn ich keine Ahnung habe, wieso. Jedem sonst ist klar, dass ich dich unverzüglich Bruder Iris übergeben sollte. Wahrscheinlich stellt man mich auf die Probe. Ich habe es auch deshalb so weit gebracht, weil ich die gesetzlichen Grauzonen kenne und meinen eigenen Verstand gebrauche. So gesehen gehört es zu meinen Privilegien, dich zu befragen, bevor ich dich ausliefere.«
    »Oder bevor Ihr mich gehen lasst«, sagte sie.
    Er kam einen Schritt näher, seine Augen ruhig und bedacht. »Ich glaube nicht, dass ich das tun kann«, sagte er langsam.
    »Wieso nicht?«, fragte sie. »Behaltet mich hier, bis es dunkel wird, dann lasst mich gehen. Ich verspreche, dass ich verschwinde und niemals zurückkomme.« Kaum, dass sie die Worte ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie eine Lüge waren. Abgesehen von dem kurzen Moment heute früh hatte sie immer noch nicht ihre Eltern gesehen, und sie musste doch einen Weg finden, sie zu retten.
    Er lächelte schwach und lehnte sich an den Tisch, sodass er halb auf ihm zu sitzen kam. »Lass mich dir etwas erklären«, sagte er. »Die Menschen, die die Enklave gründeten, hatten Jahre gründlicher Planung investiert, um diese Oase aus dem Nichts erstehen zu lassen. Wir waren diejenigen, die die Technik für eine Welt ohne Öl entwickelten. Wir machten uns die Kraft der Sonne und die geothermische Energie zunutze, um Mycoproteine zu züchten und das Wasser zu reinigen. Dank uns gibt es genug Nahrung für alle, innerhalb und außerhalb der Mauer. Ohne uns wären die meisten deiner Vorfahren, Nomaden auf der Suche nach einer friedlichen Siedlung, auf dem Weg durch das Ödland gestorben.

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