Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
Vom Netzwerk:
Doch ihr habt uns gefunden, wie die Blutegel habt ihr uns ausgesaugt, woraufhin wir beschlossen haben, dafür zu sorgen, dass unser Zusammenleben funktioniert.«
    Gaia ärgerte sich über den Vortrag. Das meiste von diesen Informationen, oder eher, dieser Propaganda, gehörte zu der über den Tvaltar verbreiteten Allgemeinbildung. Was in dem Postkartenidyll aber fehlte, waren Kleinigkeiten wie die Hinrichtung schwangerer Frauen.
    »Wenn ihr uns wirklich so weit überlegen seid und so zivilisiert«, sagte sie, »solltet ihr dann nicht das Bedürfnis verspüren, uns umso großzügiger und mitfühlender zu behandeln? Ihr könntet mit gutem Beispiel vorangehen und mich nicht einen Blutegel nennen.«
    Er legte die Stirn in Falten und hielt einen Moment inne, als ob sie ihn mit einem ganz neuen Gedanken überrascht hätte.
    »Ich verlange, dass man mich freilässt«, sagte sie. »Und ich verlange, dass man auch meine Eltern freilässt.«
    Captain Grey machte immer noch ein nachdenkliches Gesicht, nahm das Zitronenkissen, warf es hoch und fing es wieder auf. »Es gibt da ein Problem. Eines, das dein Mitgefühl wecken wird. Man hat sich nämlich verrechnet. Die Enklave wurde mit einer zu geringen Zahl Siedler gegründet.«
    »Wieso ist das ein Problem?«, fragte Gaia.
    Captain Grey machte eine kurze Pause, ehe er fortfuhr. »Unsere Kinder sterben. Nicht alle, aber deutlich mehr als früher. Und unsere Frauen sind immer öfter unfruchtbar.«
    Jetzt hatte er ihre Aufmerksamkeit. »Was soll das heißen, die Kinder sterben?«, fragte sie. »Wie? Warum?«
    »Aus verschiedenen Gründen«, sagte er. »Unser größtes Problem ist der Anstieg der Hämophilie.«
    »Was ist Hämophilie?«, fragte sie.
    Er legte den Kopf schief. »Sie verbluten. An jeder noch so kleinen Verletzung.«
    Gaia hatte Schwierigkeiten, das zu glauben. Sie hatte einmal gesehen, wie eine Frau nach einer Geburt verblutet war, aber das war etwas anderes.
    Jemand klopfte an die Tür. Captain Grey ließ das Nadelkissen auf den Tisch sinken, ging zur Tür und öffnete. Gaia konnte nicht sehen, wer auf der anderen Seite stand.
    »Ein wenig noch. Zehn Minuten«, sagte Captain Grey leise.
    Als er die Tür wieder schloss, wurde sie doch nervös. Es machte ganz den Anschein, als wäre er alles, was die wilde, hungrige Meute vor dieser Tür noch daran hinderte, sie zu verschlingen. Dennoch war auch er Teil dieser Meute.
    »Hör zu«, sagte er, »das ist jetzt ein kritischer Zeitpunkt.« Er kam einen Schritt näher, und sie wich unwillkürlich zurück. Ihre Fingerspitzen berührten die kalte Wand hinter ihr. Seine Brauen hoben sich überrascht. »Ich werde dir nicht wehtun.«
    Soweit sie sehen konnte, verkörperte er alles, was sie an der Enklave verabscheute. Dennoch hielt sie ihr Kinn hoch erhoben. »Das weiß ich«, log sie.
    Seine Augen bohrten sich in ihre. Dann fiel sein Blick zu ihrer Bestürzung auf die Taschenuhr um ihren Hals.
    »Darf ich?«, fragte er.
    Sie weigerte sich, ihm zu antworten.
    Er hob die Uhr vorsichtig an und ließ die Hand an der Kette entlanggleiten, um sie ihr über den Kopf zu heben. Ihr Nacken prickelte bei seiner kurzen Berührung, und sie hielt den Atem an, bis er wieder an seinem Tisch stand. Er stützte sich mit beiden Händen auf die Platte und hielt den Kopf gesenkt. Hasste er dieses Verhör etwa ebenso sehr wie sie selbst? Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm.
    »Versuchen wir es noch einmal«, sagte er schließlich. »Hat deine Mutter dir heute auf dem Platz irgendein Zeichen gegeben? War es ihre Idee, das Kind zu retten?«
    »Natürlich nicht.«
    »Deine Uhr? Wo hast du sie her?«
    »Sie ist ein Geschenk meiner Eltern. Sie sagt mir, in welchem Abstand die Wehen kommen und wie viel Zeit mir bleibt, ein Baby vorzubringen.«
    Er betätigte den Verschluss und ließ den Deckel aufschnappen. Sie wusste, welche Worte er jetzt las. In die Innenseite des kleinen runden Deckels war eingraviert: Das Leben zuerst. Er schloss seine Hand um die Uhr und ließ sie wieder zuklicken.
    »Und das Nadelkissen?«, fragte er.
    »Das gehört meinem Vater«, sagte sie. »Er ist Schneider. Wisst Ihr nicht mehr? Ihr habt ihn verhaftet.«
    Sie sah, wie seine Miene sich kurz verfinsterte, als hätte sie ihn an etwas erinnert. Uhr und Nadelkissen verschwanden in seiner Tasche.
    »Ich verstehe immer noch nicht, was Ihre herzzerreißende kleine Geschichte mit meiner Familie zu tun hat«, sagte sie. Der Schmerz in ihren Handgelenken verstärkte ihre Ungeduld noch.

Weitere Kostenlose Bücher