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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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auf ihn, doch das Baby war noch viel zu klein, sich für den Vogel zu interessieren, und gluckste nur. Gaia sah, wie Emily etwas sagte und lachte.
    Bruder Iris drückte einen kleinen Knopf am Rande des Tischs. »Den Vogel«, sagte er.
    Zuerst geschah gar nichts, außer, dass Emily das Kind seinem Vater reichte. Dann war da ein schwarzer Wirbel am Rand des Bildes, und die Eltern sprangen erschrocken zurück – zu ihren Füßen nurmehr ein lebloser Haufen schwarzer Federn und daraus ein gekrümmter Fuß fast flehentlich gen Himmel gereckt. Die Kamera zoomte näher heran und begrenzte den Bildausschnitt auf die Eltern, die mit ihrem Baby so schnell wie möglich zurück zu den Häusern Wharftons rannten. Emilys rotbraunes Haar wehte wild hinter ihr her, und obwohl sie keinen Ton hören konnte, sah Gaia, dass sie vor lauter Angst und Panik schrie.

16
    Kooperation
    »Wieso um alles in der Welt habt Ihr das getan?«, fragte sie fassungslos. Die systematische Grausamkeit der Enklave war ihr mittlerweile wohlbekannt, aber der Vogel war doch völlig harmlos gewesen. Diese Tat war so sinnlos. Als Bruder Iris sich bedächtig umdrehte und sie aufmerksam beäugte, wich sie zurück.
    »Ihr habt einem Soldaten auf der Mauer befohlen, den Vogel zu töten«, sagte sie. »Was, wenn er schlecht gezielt hätte?«
    Bruder Iris hob seine getönte Brille an und schob sie in sein graues Haar. Seine Pupillen waren außergewöhnlich geweitet, seine Iris nur ein hauchfeiner, blassblauer Ring. »Ich musste mich deiner vollen Kooperation versichern, sonst …«
    »Sonst was?«, fragte sie atemlos. »Werdet Ihr mich töten?«
    Er legte den Kopf schief und studierte sie mit seinen unergründlichen Augen. »Nein. Emilys Baby vielleicht. Oder Sephie Frank. Du hast sie gemocht, oder nicht? Oder wie wäre es mit Leon?« Sein Tonfall war täuschend beiläufig.
    »Das würdet Ihr nicht tun.«
    »Oder deine Mutter?«, fügte er hinzu.
    Sie schüttelte steif den Kopf. Innerlich ächzte sie unter der Last seiner Drohungen. Dennoch sagte sie fest: »Ich glaube nicht einmal, dass sie noch am Leben ist. Ihr habt gelogen, um ein Druckmittel zu haben.«
    Der Mann trat wieder näher an den Tisch. »Vielleicht bist du doch gar nicht so dumm«, brummte er und berührte den Tisch mit seiner Fingerspitze.
    Ein neuer Bildschirm öffnete sich, und gegen ihren Willen trat Gaia näher. Sie sah drei Frauen, die in einem halbrunden Raum mit steinernen Wänden auf Pritschen lagen und schliefen. Es hätte eine Schwarz-Weiß-Fotografie sein können, so frei von Farbe und Bewegung war das Bild, abgesehen von einem Vorhang, der sich in einem lautlosen Wind bauschte. Sie sah eine schwarze Kette, die zu einer der Pritschen führte. Waren die Frauen etwa in Ketten gelegt?
    »Man erkennt es jetzt schlecht«, sagte er. »Aber die in der Mitte ist deine Mutter.«
    »Wo sind sie?« Gaia starrte verzweifelt auf den Schirm, als könne sie die Frau allein durch Willenskraft dazu bringen, sich umzudrehen. Könnte sie doch nur ihr Gesicht sehen und Gewissheit haben.
    Der Mann berührte den Schreibtisch, und er wurde dunkel. Gaia blinzelte und trat mehrere Schritte zurück, bis ihre Beine gegen einen Stuhl stießen.
    »Vielleicht«, sagte er langsam und senkte seine Brille wieder über die Augen, »könnte ich es einrichten, dich zu ihr zu bringen, wenn du kooperierst.«
    Ihre Möglichkeiten lagen klar vor ihr: Kooperiere, und sieh deine Mutter wieder. Leiste Widerstand, und man wird sie töten. Gaia wurde schlecht.
    »Setz dich bitte«, sagte Bruder Iris.
    Sie setzte sich behutsam auf den Rand des gepolsterten Stuhls, der hinter ihr stand. Sie streckte die Fingerspitzen nach dem weichen Satin hinter ihrem Rücken aus, um ihr Gleichgewicht zu halten. Was würden ihre Eltern an ihrer Stelle tun? Da man ihren Vater auf der Flucht erschossen hatte, musste er geglaubt haben, dass alles besser war, als mit der Enklave zu kooperieren – selbst der Tod. Ihre Mutter aber lebte noch. Hatte sie einen Weg gefunden, Widerstand zu leisten und trotzdem zu überleben? Keinesfalls durfte Gaia ihre Mutter in noch größere Gefahr bringen. »Was wollt Ihr, das ich tue?«, fragte Gaia mit leiser Stimme.
    Zum ersten Mal zeigten Bruder Iris’ Lippen ein leichtes Lächeln. »Na also«, sagte er, »ich wusste, du würdest vernünftig sein. Du hast der Enklave immer treu gedient, abgesehen von diesem einen lächerlichen Irrtum nach der Hinrichtung.«
    Gaias Wangen brannten. »Ja«, redete sie ihm nach dem

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