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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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müsste man bereit sein, die Enklave für immer zu verlassen. Frag gar nicht erst.«
    Leon hatte das offensichtlich ähnlich empfunden, erkannte sie verbittert. »Dann frag du mich gar nicht erst, wer deine Eltern sind«, sagte sie. »Du kannst wie alle anderen warten, bis es Bruder Iris beliebt, sein Wissen zu teilen.«
    Er warf ihr einen langen, prüfenden Blick zu, dann nahm er das leere Glas vom Tablett und ging ins Badezimmer.
    Idiot , dachte sie. Sie nahm einen kleinen Bissen von dem weißen Käse und lauschte auf das fließende Wasser, und als Sergeant Bartlett zurückkam, wirkte er ein wenig blass um die Nase. Als sie nach dem Wasserglas griff, hielt er es einen Moment länger fest als nötig, und mit einem kaum merklichen Nicken lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf das Glas.
    Von plötzlicher Aufregung gepackt griff sie wieder danach und sah eine Nachricht, die er auf die Innenseite seiner Hand geschrieben hatte:
KAMERA →
    »Du musst durstig sein«, sagte er mit ganz normaler Stimme.
    Zu ängstlich, sich umzudrehen, zu ängstlich, um nach der Kamera zu schauen, hob Gaia zitternd das Glas an ihre Lippen. Oh nein , dachte sie. Sie hatten sie die ganze Zeit über beobachtet. Was sie für einen Bewegungsmelder gehalten hatte, war auch eine Kamera. Sie hatten sie mit Leon gesehen, und sie hatten ihn gehen sehen. Ihre Gedanken rasten. Sie beobachteten sie und Sergeant Bartlett in ebendiesem Moment. Konnten sie auch hören, was sie sprachen?
    Es kostete sie die letzte Kraft, nicht laut aufzuschreien vor Enttäuschung. Sie nahm einen weiteren Bissen Käse und kaute langsam. Sergeant Bartlett lehnte sich wieder wie zuvor an die Tür, doch sie merkte, wie er die Faust in der Tasche ballte. Tatsächlich schien ein angespanntes Beben seinen ganzen Körper zu durchlaufen. Wer immer sie beobachtete, sie hoffte, dass es ihm nicht auffiel.
    »Was ist mit diesen Mädchen passiert?«, fragte sie und versuchte es wie den Beginn einer harmlosen Unterhaltung klingen zu lassen.
    »Was für Mädchen?«
    »Ich habe sie vorhin auf dem Platz gesehen«, sagte sie. »Es sah aus, als würde man sie zusammentreiben und zur Bastion bringen.«
    Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Keine Ahnung, was du da gesehen hast«, sagte er.
    Sie wurde ungeduldig. »Vorhin. Als Leon hier war. Hast du denn nicht mit ihm gesprochen?«
    Sergeant Bartlett wandte den Blick in einer Weise ab, die sie sofort in Alarmbereitschaft versetzte. Er schien eine Entscheidung zu treffen, und als er sie das nächste Mal ansah, blickten seine braunen Augen ernst. »Er wurde zum Protektor gebracht«, sagte er. »Niemand hat ihn seitdem gesehen.«
    »Nun«, sagte sie trocken, »dann wollen wir hoffen, dass er und sein Vater sich gut unterhalten.«
    Er wandte sich zur Tür. »Wenn du mich entschuldigen würdest«, sagte er. »Ich komme in zehn Minuten wieder und hole das Tablett. Nimm dir noch Wasser, wenn du willst.« Er nickte in Richtung Bad.
    Wasser? Sie wollte schreien. Was sie brauchte, war ein Fluchtweg. Sie ballte ihre Fäuste und wandte sich ab.
    Die Tür schloss sich hinter ihm, und sie atmete lautstark aus. Was sollte sie jetzt machen? Eine Kamera verfolgte jede ihrer Bewegungen.
    Da kam ihr auf einmal eine Erkenntnis: Die Kamera reichte nicht bis ins Bad. Und dorthin war Sergeant Bartlett gegangen. Sie versuchte, gelassen zu wirken, und trat erst ans Fenster und dann zu ihrem Tablett, um den letzten Bissen Brot zu essen. Dann schlenderte sie mit ihrem Glas Richtung Badezimmer. Sie trat um die Ecke, schloss die Tür und starrte auf das, was sie auf dem Spiegel las:

    Sergeant Bartlett hatte die Botschaft mit dem Stück blauer Seife geschrieben, das neben dem Wasserhahn auf dem Waschbecken lag. Mit klopfendem Herzen befeuchtete sie die Ecke eines Handtuchs und rieb fieberhaft die Seife vom Spiegel. 24. Oktober 2390 , dachte sie.
    Ihre Hand erstarrte.
    Sie kannte dieses Datum. Das war der Geburtstag ihres Bruders Odin. Unwillkürlich führte sie die Faust an ihre Lippen.
    »Ich glaube es nicht«, murmelte sie. »Er ist mein Bruder.«
    Konnte sie sich da auch sicher sein? Was, wenn am selben Tag noch andere Kinder vorgebracht worden waren? Die Antwort darauf läge im Code.
    Gaia warf noch einen letzten prüfenden Blick auf den Spiegel, um sicherzugehen, dass sie keine Spuren hinterlassen hatte. Dann ging sie zurück ins gelbe Zimmer, stellte das Glas auf das Tablett und widmete sich wieder dem Band. Es dauerte mehrere Minuten, Sergeant Bartletts Geburtstag zu

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