The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
vertraute Straße führte sie erst am Mutterhaus vorbei, dann an der großen Weide und ein paar einfachen Hütten. Kurz darauf erstreckte sich der Strand vor ihr; das Licht des Morgens lag hell auf dem Sumpf, rechts war der dunkle Umriss des Gefängnisses zu sehen.
Dann drehte der Wind und trug den Geruch schaler Asche heran. Sie entdeckte die verkohlten Überreste eines Feuers. Von einem halb verbrannten Baumstumpf stieg noch etwas Rauch auf. Neben einer Reihe umgedrehter Kanus, die wie riesige Fische im Sand dösten, wartete ein Dutzend Männer und Frauen, darunter auch Fräulein Dinah und Leon. Der Wind fuhr ihm durch Hemd und Haar.
»Können wir?«, fragte er.
»Wollte die Matrarch uns nicht eine Nachricht mitgeben?«, fragte Gaia.
»Ich hab sie Vlatir schon gegeben«, sagte Dinah. »Wir gehen zwar davon aus, dass man Lady Adeles Familie gestern Nacht schon Bescheid gesagt hat, aber offiziell wissen sie noch von nichts.«
»Was, wenn Lady Adele nicht mitkommen will?«
»Dann muss sie uns das Baby trotzdem geben«, sagte Dinah. »Deshalb haben wir überlegt, ein paar Boote mehr mitzunehmen. Die Matrarch meinte aber, wenn du die Verstärkung nicht brauchst, sollst du sie lieber im Dorf lassen.« Sie nickte den anderen Männern zu, in denen Gaia jetzt Wachen erkannte.
Gaia hoffte wirklich, dass sie Maya ihrer neuen Mutter nicht gewaltsam wegnehmen würden. Mit so etwas wollte sie nie mehr zu tun haben. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, wie sie damals Müttern im Namen der Enklave ihre Babys weggenommen hatte. Das würde sie nicht noch einmal machen, nicht einmal um ihrer Schwester willen.
»Ich glaube nicht, dass ich das kann«, sagte Gaia.
»Doch, du kommst mit«, sagte Leon. »Denn schließlich machst du, was die Matrarch sagt, oder etwa nicht?«
Er hatte recht. Sie hielt nach Peter Ausschau und war erleichtert, als er endlich auftauchte. »Peter wollte auch mitkommen«, sagte sie.
»Dann kann wenigstens einer pro Boot richtig paddeln.« Dinah grinste.
Daran hatte Gaia gar nicht gedacht.
»Ich sehe schon, der Kelch geht nicht an mir vorüber«, sagte Dinah mit einem Achselzucken. »Vlatir, ich fahre mit dir. Gaia und Peter nehmen ein zweites Kanu. Vielleicht kann ich mit Lady Adele und dem Kind behilflich sein.«
»Von mir aus«, sagte Leon. Ohne einen weiteren Blick zu Gaia hob er ein Kanu an und zog es Richtung Wasser. Dinah ging zum nächsten.
»Brauchst du Hilfe?«, fragte Peter.
»Bring einfach Gaia sicher über den Sumpf«, sagte Dinah. »Wir treffen uns dann drüben.«
Dinah band sich ihren roten Schal um, damit sie ihn nicht verlor. Mit einem raschen, geschickten Griff schob sie das Heck des Kanus ins Wasser und sprang hinein. Dann nahm sie hinter Leon Platz und griff sich ein Paddel.
Gaia und Peter stiegen ebenfalls in ein Kanu. Gaia saß am Bug und hielt sich fest, während Peter sie vom Ufer abstieß.
»Was mache ich, wenn wir kentern?«, fragte sie.
»Halt dich am Kanu fest, und wir schwimmen zu einem der kleinen Hügel.«
»Ich kann aber nicht schwimmen.«
»Wie bitte?«
»Ich bin an einem Trockensee aufgewachsen, mitten im Ödland. Dort kann keiner schwimmen.« Gaia stemmte die Knie gegen das Dollbord, um ihr Gleichgewicht zu halten, und griff nach dem Paddel.
»Ich lasse dich schon nicht nass werden.« Man konnte das Grinsen in seiner Stimme hören. »An den meisten Stellen ist es ohnehin so flach, dass man stehen kann. Hey, pass auf!«
Ihr Paddel war gegen die Seite des Kanus geschlagen. »Was mache ich falsch?«, fragte sie und drehte sich zu ihm um. Sein hellbraunes Haar war beinahe blond in dem hellen Licht. »Solltest du bei der Sonne nicht einen Hut tragen?«
»Wo ist deiner denn?«
»Hab ich vergessen. Ich hatte nur meinen Umhang dabei, als ich heute Morgen vom Mutterhaus losgegangen bin.«
»Ich habe meinen auch vergessen.« Er schaute hoch zum Himmel. »Die Wolken werden ein wenig helfen. Du willst doch trotzdem zur Insel, oder nicht?«
Das wollte sie.
»Also, nimm das Paddel mit der rechten Hand hier am Blatt«, sagte er und zeigte es ihr. »Den Oberarm hältst du ziemlich gerade. Geh etwas mit – die Kraft kommt aus dem Rücken. Versuch deine Züge lang und gleichmäßig zu machen.«
»So?«, fragte sie und versuchte es.
»Nicht so steif. Und wenn du das Paddel beim Vorwärtsgehen parallel zum Wasser drehst, schneidet es auch besser durch den Wind.«
»So viel Wind geht doch gar nicht.«
»Du diskutierst schon ziemlich gerne, was?«
»Ich sag’s ja
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