The Doors
nicht nur in der Lage, sich zu fragen, wie er etwas sagen konnte, sondern auch, wie er es nicht sagen konnte: Er wusste, wie man sagt, was man sagen möchte, während man im selben Atemzug noch viele andere Dinge sagt. »Oh, the wonder«, tönte Seger gespreizt und gab auf; »speak in secret alphabets«, sang Morrison, wobei er seine Augen und seine Hände über Körper gleiten ließ, Körper, die ihre Augen und ihre Hände schlossen, bis der Musik fast schon ein Duft entströmte. »Soul Kitchen« betrat das Gebäude von »Gloria«, stieg dessen Treppe empor, klopfte an dessen Tür, ging in dessen Zimmer und flog dann aus dem Fenster hinaus.
Auf dem Debütalbum der Doors ist »Soul Kitchen« ein dunkler Raum, in dem die Lichter ausgehen, ein Raum, bei dem das Schild an der Tür von OPEN zu CLOSED umgedreht wird. Aber so wie alle anderen Doors-Songs veränderte auch »Soul Kitchen« bei Konzerten seine Form, und das war abhängig von der Stimmung der Band, von der Stadt, in der sie auftrat, vom Saal, vom Publikum, vom Wetter, von den Nachrichten, aber auch davon, ob Morrison den Song mochte oder ob ihn ein Hass auf jeden packte, der behauptete, den Song zu mögen, oder davon, ob Morrison betrunken oder nüchtern war oder betrunken genug, um sich keinen Deut darum zu scheren, was andere denken mochten. In Chicago, mehr als ein Jahr, nachdem The Doors in den Album-Charts auf Platz zwei zu klettern begonnen hatte, ist »Soul Kitchen« ein Fluss, und es geht nicht darum, dieses Gewässer zu überqueren, sondern darum, sich von ihm in die Tiefe ziehen zu lassen. Mehr als siebeneinhalb Minuten lang – das ist mehr als doppelt so lange, wie der Song auf der Platte dauert – ist Morrison vor allem damit beschäftigt, in dem Song nach Stellen zu suchen, wo er ihn verlassen, wo er weggehen, wo er nach dem Horizont schielen und dabei das Vaterunser aufsagen kann. Das scheint ihn mehr zu interessieren als seine Zeile »Poor Otis, dead and gone, left me here to sing his song«, die hier wie eine Geste der Trauer und der Kameradschaft wirkt, nicht zuletzt deshalb, weil Morrison noch eine Zeile von Leadbelly anfügt, die auch in Ray Charles’ »What’d I Say« und in dem alten Folksong »Liza Jane« vorkommt: »Pretty little girl with the red dress on ... Poor Otis, dead and gone.«
Auf The Doors kehrt der Refrain noch einmal laut hämmernd zurück, während alles davor eine Träumerei war, ein Klagelied über eine Nacht, die vorbei war, noch ehe sie begonnen hatte, eine Fantasie, die vielleicht noch verwirklicht werden konnte, durch die Nacht hindurch und in den nächsten Tag hinein, über den Hügel und durch die Wälder. Der Song lässt dich auf seine zwei Wörter warten, die emporgehalten werden wie zwei die Augen bedeckende Hände, deren Finger sich öffnen und schließen.
Them: »Gloria« (London, 1965, # 93).
Don Henley: »Amateur Night«, L A Weekly , 3. – 10. Juni 1992. »Es war der kakofone Albtraum einer außer Kontrolle geratenen Party einer Studentenverbindung«, schrieb Henley über die Performance von »Louie Louie«, die die Rock Bottom Remainders bei ihrem Konzertdebüt am 25. Mai 1992 im Cowboy Boogie in Anaheim ablieferten. »Wären wir in Texas gewesen, so wären die Leute bäuchlings durch Bierpfützen geschlittert, sie hätten um die Wette gesoffen und auf den Fußboden gekotzt ... Dann taumelte die Band in ›Gloria‹ hinein, mit Dave Barry als Leadsänger. In der Love & Peace-Ära musste ich bei einer Party der Verbindung Delta Sig ›Gloria‹ insgesamt dreizehn Mal spielen, im Laufe eines einzigen Abends – seitdem habe ich für diese Nummer genauso viel übrig wie für verbrannte Pizza. Barrys Version einer Beatlesfrisur, wie sie in den Spätsechzigerjahren bei College-Boys angesagt war, heizte meine Erinnerung noch zusätzlich an. Beim Text des Songs (also bei der Stelle, wo es ins Schlafzimmer geht) nahm er sich die üblichen Freiheiten heraus.« Siehe auch: Dave Marsh (Hrsg.), Mid-Life Confidential: The Rock Bottom Remainders Tour America with Three Chords and an Attitude, Viking, New York 1994. Mit Beiträgen von Dave Barry, Tad Bartimus, Roy Blount, Jr., Michael Dorris, Robert Fulghum, Kathi Goldmark, Matt Groening, Stephen King, Tabitha King, Barbara Kingsolver, Al Kooper, GM, Dave Marsh, Ridley Pearson, Joel Selvin und Amy Tan. Das Buch enthält nicht nur einen längeren Rundbrief, in dem erörtert wurde, mit welchem möglichst perfekten Verbrechen auf Don Henleys Verriss zu reagieren
Weitere Kostenlose Bücher