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The Doors

The Doors

Titel: The Doors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greil Marcus
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die Kamera weiter hinten platziert war und ihn vom Scheitel bis zur Sohle einfing, als sie filmte, wie er und seine Combo die Fetzen fliegen ließen, voller Freude, Ausgelassenheit und Tempo. Nein, Morrison ließ sich nichts anmerken. Er benutzte den Song mehr oder weniger als Trampolin. »Girl, we couldn’t get much hiiiii «, sang er und ließ die zweite Silbe von higher verschwinden, vorüberhuschen, als habe es sie überhaupt nicht gegeben, und obwohl eine Andeutung des anstößigen Wortes aufgeblitzt und landesweit live ausgestrahlt worden war, konnte man zu der Auffassung gelangen, dass das okay war: okay für CBS und für die Doors ein ehrenhafter Kompromiss. Nach etwa einer Minute, kurz bevor Manzarek ein sieben Sekunden dauerndes Solo begann und den Song somit auf seine Single-Version reduzierte, schrie Morrison » FIGH-YARRRRGH! YEAH! « – als wollte er einen Ausgleich für das liefern, was er dem Publikum vorenthalten hatte. Sein Schrei war aufregend und bis zu diesem Zeitpunkt das einzig Aufregende an der Performance.
    Nach Manzareks Solo stieg Morrison wieder genauso lässig in den Song ein wie zu Anfang. Er sang die erste Strophe. Er ignorierte die Melodie und ließ sich das Wort »fire« auf der Zunge zergehen, so wie Elvis es möglicherweise getan hätte, wenn er Elvis Is Back !, sein 1960, nach Abschluss seines Militärdienstes veröffentlichtes Comeback-Album, mit »Light My Fire« statt mit »Reconsider Baby« hätte ausklingen lassen – vergegenwärtigt man sich, wie Elvis an Lowell Fulsons bekanntesten Song heranging, wie er jedes Wort mit einer Glut erfüllte, die bis heute nicht abgekühlt ist, so ist die Ähnlichkeit zwischen ihm und Morrison hier geradezu frappierend.
    Beim Refrain schrie Morrison wieder » FIRE! «. Und dann warf er alle Hemmungen über Bord. Hört man sich die Aufnahme an, dann klingt es so, als reiße er sich die Kleider vom Leib. Seine Stimme ist plötzlich roh, scharf, aggressiv, eine regelrechte Druckexplosion. Densmores Schlagzeug legt nun das Fundament, auf dem Morrison sich austoben kann. Mit einem Mal ist es ein völlig anderer Song, ein anderer Abend, ein anderer Ort; ein anderes Publikum wird erschaffen. Jetzt ist jeder Atemzug tief, ein Luftholen, das die Lungen bis zum Bersten füllt, die Art, auf die man einatmet, bevor man springt; jeder Atemzug ist so stark, so unvermittelt, so gewaltig und lustvoll wie der Moment, in dem Densmores Trommelstock zum ersten Mal auf die Snare Drum kracht.
    Morrisons Aussprache wird gröber, die Wörter verlieren ihren Anfang und ihr Ende, der Sänger stürmt an dem Song vorbei, und der Song jagt hinter ihm her wie eine Welle, und beide treffen sich bei Morrisons wildem, glühendem »higher« , das hier, wo der Song seine wahre Gestalt findet, nicht mehr musikalische oder moralische Bedeutung trägt als jedes andere Wort, jeder andere Ton, jede andere Formulierung, jeder andere Klang – und der Klang ist nun der Sound der Freiheit. Es ist schockierend, wie viel Vergnügen Freiheit bereiten kann: » Come on! «, schreit Manzarek, völlig außer sich, beim letzten Refrain dazwischen. Jetzt sind sie auf der anderen Seite angelangt. Musste der Song nach dieser Performance jemals wieder gespielt werden?
    »Light My Fire«, The Ed Sullivan Show , enthalten auf Songs from the Motion Picture: When You’re Strange – A Film About The Doors (DMC/Rhino, 2010).

    Elvis Presley: The Ed Sullivan Shows , Image Entertainment DVD, 2006; mit Anmerkungen von GM.

    –, Elvis Is Back! (1960). Die 2011 erschienene Wiederveröffentlichung (RCA Legacy) umfasst zwei CDs und enthält außer den zwischen 1960 und 1961 herausgekommenen Singles »Fame and Fortune«, »It’s Now or Never«, »A Mess of Blues«, »Are You Lonesome Tonight?« und »Surrender« auch noch das komplette Album Something for Everybody (1961) sowie die zwischen 1961 und 1962 erschienenen Singles »I Feel So Bad«, »(Marie’s the Name) His Latest Flame«, »Little Sister« und »Good Luck Charm«. Wie so viele vor und nach ihm wusste Jim Morrison, dass Elvis Presley etwas hatte, was kein anderer jemals haben würde und wonach er deshalb umso leidenschaftlicher strebte, auf eine kryptische, weniger offenkundige, fast schon verborgene Art. Angesichts der Zartheit und des Glanzes, mit denen Elvis die Songs auf Elvis Is Back! versieht, von »Fever« bis zu »Girl of My Best Friend«, von »Dirty, Dirty Feeling« bis zu »Such a Night«, fällt es schwer, zu glauben, dass dies

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