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The Doors

The Doors

Titel: The Doors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greil Marcus
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verkörperten und auslebten, manifestierte sich nicht bloß in einem schlechten Songtext und in einer Art Zeichentrickfilmmusik, denn mehr ist an »Five to One« nicht dran. Bullshit! , kann man die Doors im Kino krähen hören. Wenn es dieser Armleuchter mit so einem billigen »Soul Kitchen«-Abklatsch ins Weiße Haus schafft – wie heißt das Ding noch mal?
    »Shape of Things to Come«.
    Dann gewinnt Jim die Präsidentschaftswahl mit Abstand! Und wenn Diane Varsi im Repräsentantenhaus aufstehen kann, um auf ihr Tamburin zu schlagen, statt eine Rede zu halten, dann ist Ray heute schon Außenminister!
    Als Schauspieler und auch jenseits der Bühne, in seinem Privatleben – das mitunter gar nicht so privat war, wie etwa bei seiner Auseinandersetzung mit einem Cop im Backstagebereich 1967 bei einer Show in New Haven, die dazu führte, dass er auf der Bühne verhaftet wurde –, forderte Jim Morrison die staatliche Autorität nicht wirklich heraus. Er legte eher eine prinzipielle, instinktive, aber dramatisierte Verachtung für jegliche Autorität an den Tag oder, genauer gesagt, eine Verachtung, die durchdacht und theoretisch begründet war, eine Einstellung, versehen mit mentalen Fußnoten, die auf Artaud und Un Chien Andalou Bezug nahmen.
    »Für mich war Morrison einer der wenigen, wenn nicht sogar der einzige Performer, der tatsächlich glaubte, was er sagte«, erzählte Robby Krieger 2006.
    Er war kein Typ, der auf der Bühne eine Schau abzog und dann nach Hause ging und ein Bier trank, der bloß an die Kohle dachte und sich auf dem Weg zur Bank ins Fäustchen lachte. Nein, er war ein Typ, der das Leben, das er auf der Bühne präsentierte, die ganze Zeit über lebte. Und wenn er nach Hause ging, dann war das irgendein billiges Motel, wo er die Zeit bis zum nächsten Auftritt überbrückte, verstehst du. Manchmal konnte er der liebenswürdigste Mensch der Welt sein – superhöflich, ausgeglichen, nüchtern und dergleichen –, aber am nächsten Tag war er dann wie ausgewechselt. Die Geschichten, die man über ihn erzählt, sind alle wahr oder jedenfalls die meisten davon: Er führte ständig ein Leben am Rande des Abgrunds, und die Leute im Publikum spürten das, wenn er auf der Bühne war; da bahnte sich unterschwellig immer etwas an, etwas Unvorhersehbares, das jederzeit passieren konnte – und wenn die Leute an jenem Abend Glück hatten, dann passierte es tatsächlich. Ich kann nur sagen, er führte ein Leben, das ganz und gar der Revolution gewidmet war.
    Etwas davon ist in der Performance von »The Unknown Soldier« zu spüren, die die Doors am 18. September 1968 in Dänemark ablieferten. Die Langsamkeit der Musik, die Art und Weise, wie die einzelnen Teile der Musik zusammengefügt werden, das bedächtige Tempo, das an Menschen denken lässt, die sich durch einen dunklen Raum hindurchtasten – all das erzeugt hier keine Spannung, sondern ein Gefühl der Unausweichlichkeit. Ray Manzarek steht auf und begibt sich von seiner Orgel zu einem im Rücken von John Densmore platzierten Verstärker, um, wie es scheint, etwas daran zu verstellen, und dann steht er mit gesenktem Kopf da und wartet, während Densmore seinen Trommelwirbel spielt. Manzarek reckt den Verstärker in die Höhe, bereit, diesen gleich fallen zu lassen. Robby Krieger hebt seine Gitarre an und zielt mit deren Hals wie mit dem Lauf eines Gewehrs, den er mal sinken lässt und dann wieder anhebt, wobei seine Pose die eines Henkers ist und sein Blick der eines Psychopathen. Morrison steht da und wartet – auf was? Was wollte die Band mit dieser kleinen Inszenierung darstellen? Die Exekution eines Deserteurs? Einen Tod auf dem Schlachtfeld? Einen Selbstmord? Die Tatsache, dass Morrison mit seinem Körper und seiner schrägen Kopfhaltung so unverkennbar zu verstehen gibt, dass er es hat kommen sehen, lässt den Schuss, den Krieger abfeuert, umso erschreckender erscheinen, einen Schuss, der von dem Geräusch des auf dem Boden zerschellenden Verstärkers begleitet wird: Schaut man sich das Video von dieser Performance an, so wird man von dem, was in Morrisons Kopf vorgehen mag, dermaßen in den Bann gezogen, dass man völlig vergisst, dass auch noch andere da sind, dass gleich etwas passieren wird. »Ein Doors-Konzert«, sagte Morrison 1968, »ist eine öffentliche Zusammenkunft, die von uns einberufen wird, um eine besondere Art von dramatischer Diskussion zu führen.« »Ich würde gern mal in einem Club spielen, wo wir mit anderen Leuten

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