The Elder Races 05 - Das Versprechen des Blutes
»Ich nehme nicht an, dass du das alles auch zu Rune sagen und dich bei ihm entschuldigen könntest?«
»Es kann nicht mehr so werden wie vorher, Gray«, sagte Dragos. »Selbst wenn ich mich entschuldigen würde – und selbst wenn Rune sich für seinen Anteil an den Ereignissen entschuldigen würde –, wir können nicht zurück. Vielleicht können wir eine neue Basis finden, aber er wird nie wieder mein Erster Wächter sein. Diese Zeit ist vorbei.«
»Also gut«, sagte Graydon. »Dachte, ich sollte zumindest fragen.« Er klang enttäuscht, wenn auch nicht überrascht. »Wenn du die Frage erlaubst … warum ich?«
Dragos dachte nach. »Weil nicht nur ich dir vertraue, sondern auch Pia. Es ist mir wichtig, dass sie dich sehr mag und du ihr nahestehst. Ich möchte, dass du dich mit ihr besprichst, falls du das Bedürfnis danach verspürst. Ich weiß, sie ist jung und hat vielleicht nicht viel Erfahrung mit administrativem Kram, aber sie besitzt mehr Verständnis und Einfühlungsvermögen, als ich je haben werde. Das könnte für eine Stabilität zwischen uns sorgen, wie Rune und ich sie zum Schluss nicht mehr aufrechterhalten konnten.« Er lächelte. »Sie wird nicht zulassen, dass ich zu hart zu dir bin.«
Graydons schroffe Züge waren ernst. »Danke, dass du es mir gesagt hast.«
Dragos nickte ihm zu. »Gib mir Bescheid, wenn du dich entschieden hast.«
»Ich habe mich entschieden«, sagte Graydon. »Ich mache es.«
Sie unterhielten sich noch kurz, dann verabschiedete sich der Greif, und damit hatte Dragos sein Limit an sinnvollen Gesprächen für heute erreicht. Er musste raus. Raus aus diesem beengten Gebäudekomplex voller verwundbarer Geschöpfe und dem alles durchdringenden Geruch nach Blut. Raus aus der beengten Stadt.
Er verließ das Gebäude und schwang sich in die Luft, ließ sich von der brennend kalten Winterluft tragen, bis er in der Einsamkeit ein gewisses Maß an Gleichgewicht wiederfand. Er würde so lange in der Luft bleiben, bis die Erde von Dunkelheit verhüllt wurde. Danach bestand die Hoffnung, dass er bei Pia seinen Frieden finden würde. Im Traum.
Er vermutete, dass es Liebe war. Allerdings hatte er auch schon perverse, kleinliche und unglückliche Beispiele von Liebe gesehen und war sich deshalb nicht ganz sicher. Die Unermesslichkeit dessen, was er mit Pia erlebte, war so viel mehr als das.
Wenn sie zusammen waren, spürte er ein Wissen tief in seinen riesigen Knochen, die so alt waren wie die Erde selbst. Dieses Wissen war wie eine Schwingung, die das Gewebe seiner Existenz veränderte, und wurde zu dem Ton, der für Mystiker die letzte Wahrheit im Universum war. Da er in seinem bisherigen Leben nie etwas für Mystik übrig gehabt hatte, musste er schon reichlich verrückt geworden sein.
Sie gehörte
ihm
, sie war sein einzig wahrer Schatz, war alles, was er besaß. Und ein Teil dessen lag darin begründet, dass es auch ihre Entscheidung gewesen war, dass sie ihn erwählt hatte und er
ihr
gehörte. Das zwischen ihnen war leidenschaftlich und elementar, der Dreh- und Angelpunkt für alles andere.
Eine Primzahl. Unteilbar. So rein, so stark, so grundlegend.
Ohne sie hatte er nichts. Mochte alles andere erlöschen und vergehen, diese eine Kraft würde allem standhalten. Und jetzt glaubte er, den Rest seines Lebens vor sich zu sehen wie ein dunkles Bild in einem Spiegel.
Da er Pias wahren Namen kannte, war es leicht, sie in seinen Traum zu holen. Trotzdem nahm er sich diesmal Zeit und gab sich Mühe mit den Details. Wie ein Künstler, der die letzten Pinselstriche an einem Gemälde setzte, rückte er im Geiste alles zurecht. Dann entsandte er den Traum wie ein unsichtbares Netz, gewoben aus magischer Energie, ging schlafen und wartete.
Ein Teil von ihm registrierte, wie die Zeit verstrich, während er sich lautlos treiben ließ. Bald darauf spürte er, wie Pias Gegenwart in den Traum glitt, und wurde munter.
Die Szenerie war kühl und ruhig, ein leichter, zarter Wind wehte. Er hatte die gedeckten Farben der Nacht erschaffen.
Sie war draußen. Das helle, melodische Klimpern von Glöckchen tanzte durch die Luft. »Was zum …«, sagte sie, verwirrt und orientierungslos. Dann lachte sie, und es klang noch wundervoller als die Glöckchen.
Er lächelte, erhob sich von dem Sofa, auf dem er sich ausgestreckt hatte, und schob die Zelttür beiseite, um hinauszusehen.
Sanddünen wogten im silbernen Schein des Mondlichts. Einige Schritte vom Zelt entfernt befand sich eine kleine Oase,
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