The End (Die neue Welt)
weg und fuhr gereizt fort: »Wirklich, ich muss wissen, was hier gespielt wird. Wozu die ganzen Vorräte, was ist los?«
»Ruhig Blut, er wird es erklären«, beschwichtigte Jimmy und schaffte es schließlich, ihr Knie zärtlich zu drücken.
»Erzähl mir nichts von ruhig Blut!«, schoss sie zurück. »Irgendetwas stinkt doch, und zwar gewaltig.«
Wohl wissend, dass solcher Zank zu nichts führte, lenkte Gordon ein: »Simone, du hast recht. Etwas ist passiert, und es ist keinesfalls erfreulich.«
»Okay, ich höre«, erwiderte sie.
»Wir müssen uns damit abfinden, dass sich unsere Lebensumstände verändert haben, und uns darauf gefasst machen, ohne die Errungenschaften der Moderne auszukommen, zum Beispiel Elektrizität. Wie schwer das Problem genau wiegt oder was außerhalb der Stadt geschieht, weiß ich nicht, aber man darf davon ausgehen, dass es weite Kreise zieht.«
»Was meinst du damit: weite Kreise? Worum handelt es sich?«, drängte Melissa. Sie wirkte erzürnt, aber eher noch aufgelöst und verschreckt.
Gordon erklärte: »Was ich euch jetzt mitteile, sind berechtigte Vermutungen. Ich kann nicht exakt sagen, was vorgefallen ist, aber wie es scheint, hat jemand einen EMP über uns ausgelöst.«
Simone fuhr wieder hibbelig dazwischen: »EM… was?«
»EMP. Das bedeutet Elektromagnetpuls; er entsteht bei der Explosion einer Atombombe.«
Simone hielt den Atem an. »Oh mein Gott!« Sie packte Jimmys Hand.
»Bei einem EMP entsteht – einfach ausgedrückt – eine übermäßige Spannung. Geräte mit Schaltkreisen beziehungsweise auf elektronischer Grundlage werden dabei innerhalb eines Sekundenbruchteils unbrauchbar.«
»Sind wir nun radioaktiv verstrahlt?«, befürchtete Melissa.
Gordon ging auf ihre Besorgnis ein. »Soviel ich auf diesem Gebiet weiß, betrifft uns die ausgetretene Strahlung nicht. Die Bombe wurde wahrscheinlich mehrere Meilen oberhalb der Erde gezündet. Der strategische Hintergedanke bei der Anwendung eines EMP beläuft sich auf die Zerstörung aller elektronischen Anlagen, die sich dann auch als hauptsächliches Problem erweist: Elektrischer Strom bestimmt unser tägliches Leben – in allen Bereichen! Ohne ihn kommt der Handelsverkehr zum Erliegen, Nahrung und Wasservorräte schwinden, und zwar schnell. Das Lager eines einzelnen Supermarkts garantiert eine Versorgung mit Lebensmitteln von vielleicht drei Tagen. Wenn keine Lastwagen fahren, die für Nachschub sorgen, ist der Käse im wahrsten Sinn des Wortes gegessen. Und was das Wasser betrifft: Es wird letzten Endes durch Pumpen von irgendwoher befördert, und die streiken eben ohne Saft. Wir sollten nicht erwarten, dass uns jemand hilft, denn unsere Regierung oder die Polizeibehörden stecken in der gleichen Situation, haben weder funktionsfähige Fahrzeuge noch Elektrizität. Je nachdem, wie groß die Bombe war, die gezündet wurde, könnte das gesamte Land betroffen sein.«
»Wie lange müssen wir ohne Strom auskommen?«, fragte Simone entgeistert. Sie klammerte sich nun regelrecht an Jimmys Hand.
»Das ist eine gute Frage, Simone. Im schlimmsten Fall ein halbes Jahr oder länger.«
»Was?« Sie konnte es nicht glauben.
»Wenn wir länger als eine Woche im Dunklen tappen, werden wir schlicht und ergreifend erleben, dass die Gesellschaft allmählich zerfällt. Unser früheres Leben ist vorbei, und ob wir es je wieder so führen können, weiß ich nicht.«
Simone hielt sich die Hände vors Gesicht und fing zu weinen an. Ihr Mann umarmte sie und versuchte, sie zu trösten.
»Welche Möglichkeiten haben wir?«, fragte Melissa.
Gordons Blick hing noch an Simone, doch dann wandte er sich ihr zu. Dabei fand er es interessant, wie unterschiedlich die Menschen auf bestimmte Situationen reagierten. Er bewunderte Melissas Pragmatismus.
»Zuallererst solltest du dir nicht allzu viele Sorgen um Eric machen. Er findet vermutlich gerade einen Weg zurück nach Hause, was wohl leider bedeutet, dass er zu Fuß unterwegs ist, weshalb er wiederum – möglicherweise – erst irgendwann nach Sonnenaufgang ankommen wird. Du musst also nicht ausflippen, falls du ihn heute Abend nicht mehr zu Gesicht bekommst. In der Zwischenzeit gehst du bitte nach Hause und lässt Wasser in all eure Wannen und Becken ein, natürlich, nachdem du sie vorher sauber gemacht hast. Benutzt von jetzt an keine Toilette mehr. Verzehrt zuerst die Nahrungsmittel in eurem Kühlschrank und alles andere, was schnell verdirbt; die Konserven spart ihr bis zuletzt auf.
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