The Forest - Wald der tausend Augen
und fällt mit einem befriedigenden Pling auf den Boden. Ohne zu zögern, fange
ich an, das andere Scharnier weiter unten an der Tür zu bearbeiten.
Mir klebt das Hemd am Rücken, so schwitze ich, als ich den anderen Bolzen herausgezerrt habe. Nun ist die Tür nicht mehr mit den Scharnieren in der Wand verankert. Vor Freude möchte ich johlen, aber ich wische mir nur mit dem Arm über die Stirn und lockere die Verspannungen in meinem Rücken, während ich meine Fortschritte zufrieden betrachte.
Auf der einen Seite ist die Tür noch immer verriegelt, doch auf der anderen Seite kann ich sie frei bewegen, nachdem ich jetzt beide Scharniere zerlegt habe. Noch einmal atme ich tief durch, dann stecke ich die Finger durch den schmalen Spalt unter der Tür und zerre, bis sie sich ein kleines Stück öffnet. Ich rüttele an der schmalen Öffnung, bis sie so breit ist, dass ich mich hindurchzwängen kann. Jetzt hängt das schwere Holz schief, weil es nicht mehr von den Scharnieren gehalten wird.
Die Luft ist feucht und modrig und mein Atem braust mir in den Ohren wie ein Sturm. Ich lausche in die Dunkelheit jenseits des schwachen Kerzenscheins und habe plötzlich Angst, dass noch jemand oder noch etwas hier unten sein könnte. Es dauert nicht lange, bis ich überzeugt davon bin, jeden Wurm zu hören, der unter der Erde auf mich zukriecht, doch dann erinnere ich mich an den kleinen Tisch mit den Kerzen hinter der Tür. Ich zünde sie alle an und erschaudere vor Erleichterung, als der kleine Lichtfleck um mich herum wächst.
Mittlerweile zittere ich am ganzen Körper. Ob aus Angst
oder weil mein dünnes Hemd nass geschwitzt ist, weiß ich nicht. Ich wünschte, Travis wäre an meiner Seite, dann hätte ich jemanden, der meine Hand und das Grauen meiner Fantasien im Zaum hielte. So lange habe ich an diesen Tunnel und diese Räume gedacht, aber jetzt, da ich hier bin, mag ich nicht weiter vordringen.
Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich die Wahrheit noch wissen möchte. Ob ich wissen möchte, was hier unten versteckt wird.
Die Kerze vor mir ausgestreckt, zwinge ich mich vorwärts, die gestampfte Erde unter meinen nackten Füßen fühlt sich glatt an. Ich gehe an den Weinregalen vorbei und erinnere mich an alles, was Schwester Tabitha mir über die Geschichte des Gebäudes erzählt hat. Dabei folge ich der Biegung des Tunnels nach links und bleibe vor der ersten Tür stehen.
Das Holz ist matter, als ich es in Erinnerung hatte, die Öffnung kleiner. Mit den Fingern fahre ich über die Splitter an den Kanten. Ich hatte gar nicht an die in den Stein gehauenen, verrosteten Bolzen gedacht, die die Türen verschlossen halten, und stöhne fast vor Erleichterung und Frustration. Dann klopfe ich an das Holz, und als ich keine Antwort höre, klopfe ich fester.
Ich komme mir vor wie eine Nachbarin, die mal eben vorbeischaut, und muss kichern. Das Geräusch hallt wie irre von den Wänden wider, ein Missklang in meinen Ohren, der mir ein Frösteln den Rücken runterjagt.
Mit einem tiefen Atemzug stelle ich die Kerze auf dem Boden ab, das Licht und die Wärme fehlen mir sofort. Ich
spüre jeden Herzschlag und meine Hände kribbeln vor Angst. Dann nehme ich einen Bolzen in jede Hand, stoße einen zurück und nach oben, während ich den anderen vor und nach unten ziehe.
Mit einem Klicken geht die Tür auf.
Ein Luftzug dringt aus dem Raum, löscht die Kerze zu meinen Füßen und stürzt mich in die Dunkelheit.
Die Panik überfällt mich schnell und heftig, ich stolpere zurück, bis ich gegen die Wand hinter mir stoße und die Füße unter mir wegrutschen. Ich stelle mir Hände vor, die meine Fesseln umklammern, und beiße mir auf die Zunge, um nicht loszuschreien. Dann rappele ich mich auf, pralle gegen die Wand und höre Flaschen aus dem Regal poltern und auf dem Boden zerbrechen.
Blind renne ich davon. Hinter mir das Geräusch von zerreißendem Stoff, Holz, das gegen Metall schlägt. Ich stolpere und falle aufjaulend über Steinstufen. Mir wird klar, dass ich in die falsche Richtung gelaufen bin. Der höhlenartige Raum unter dem Münster liegt auf der anderen Seite und ich befinde mich jetzt unter dem Wald. Einen Herzschlag lang überlege ich mir, ob ich wieder zurücklaufen soll, zurück ins Münster, aber die Dunkelheit ist mehr, als ich ertragen kann. Sie ist zu undurchdringlich.
Ich richte mich auf, bis ich gegen die hölzerne Tür stoße, die nach oben führt, und kann nicht weiter. Ganz klein kauere ich mich zusammen, ziehe
Weitere Kostenlose Bücher