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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und ich nur hoffnungslos und unentschlossen vor unserem Boss gestanden hatten. Harry war bei John gewesen … und welcher Geist es auch immer ist, der den anderen, dämonischen bekämpft, er war in dieser Nacht in John. Und als John Direktor Moores entgegentrat, war es dieser andere Geist – etwas Weißes, so sehe ich das, etwas Weißes -, der die Kontrolle übernahm. Das andere Ding verzog sich nicht, aber ich spürte, dass es sich zurückzog wie Schatten vor einem plötzlich erstrahlenden Licht.
    »Ich will helfen«, sagte John Coffey. Moores schaute zu ihm auf, mit faszinierten Augen und offenem Mund. Ich bezweifle, dass Hal es überhaupt mitbekam, als Coffey ihm die Buntline Special aus der Hand nahm und mir reichte. Vorsichtig entspannte ich den Hahn. Später prüfte ich die Trommel, und ich stellte fest, dass sie die ganze Zeit leer gewesen war. Manchmal frage ich mich, ob Hal das gewusst hat. Unterdessen murmelte John immer noch: »Ich bin gekommen, um ihr zu helfen. Nur um zu helfen. Das ist alles, was ich will.«
    »Hal!«, schrie Melinda aus dem Schlafzimmer. Ihre Stimme klang jetzt etwas fester, aber auch ängstlich, als hätte sich das Ding, das uns so verwirrt und entmutigt hatte, jetzt zu ihr zurückgezogen. »Schick sie weg, wer immer sie sind! Wir brauchen keine Vertreter mitten in der Nacht! Kein Elektrolux! Kein Hoover! Keine französischen Schlüpfer mit Schlitz zwischen den Beinen. Sie sollen verschwinden. Sag ihnen, sie sollen sich verpissen, diese … diese …« Etwas zerbrach klirrend – es kann ein Wasserglas gewesen sein -, und dann begann sie zu schluchzen.
    »Ich will nur helfen«, sagte John Coffey so leise, dass es kaum mehr als ein Flüstern war. Er ignorierte das Schluchzen der Frau und ihre vulgäre Sprache gleichermaßen. »Nur helfen, Boss, das ist alles.«
    »Das kannst du nicht«, sagte Moores. »Keiner kann das.« Es war ein Tonfall, den ich schon gehört hatte, und nach einer Weile wurde mir klar, wie ich geklungen hatte, als ich in Coffeys Zelle gegangen war, in jener Nacht, in der er meinen Harnwegsinfekt geheilt hatte.
    Hypnotisiert. Kümmer du dich um deine Angelegenheiten, und ich kümmere mich um meine, hatte ich zu Delacroix gesagt … aber es war Coffey gewesen, der sich um meine Angelegenheiten gekümmert hatte, so wie er sich jetzt um die von Hal Moores kümmerte.
    »Wir denken, er kann es«, sagte Brutal. »Und wir haben unsere Jobs – plus vielleicht eine Weile im Knast – nicht riskiert, nur um herzufahren und wieder zurückzukehren, ohne es wenigstens ordentlich versucht zu haben.«
    Nur, dass ich genau das vor drei Minuten fast gemacht hätte. Brutal ebenfalls.
    John Coffey nahm uns das Spiel aus den Händen. Er schob sich an Moores vorbei, der kraftlos eine Hand hob, um ihn aufzuhalten (sie wischte über Coffeys Hüfte und sank hinab; ich bin überzeugt, dass der Riese es nicht einmal spürte), ging ins Haus und schlurfte durch den Flur, vorbei am Wohnzimmer, der Küche und zum Schlafzimmer jenseits davon, in dem diese schrille, nicht wiederzuerkennende Stimme ertönte: »Du bleibst draußen! Wer auch immer du bist, bleib draußen! Ich bin nicht angezogen, meine Titten liegen frei, und über meine Möse streicht der Wind!«
    John ignorierte sie, ging einfach unerschütterlich weiter, den Kopf gesenkt, damit er keine Lampen rammte. Sein runder, brauner Schädel glänzte, und seine Hände schwangen an den Seiten. Kurz danach folgten wir ihm, ich zuerst, Brutal und Hal Seite an Seite und Harry am Schluss. Eines war mir sonnenklar: Es lag nicht mehr in unseren Händen, sondern in denen von John.

8
    Die Frau im hinteren Schlafzimmer, die im Bett saß, sich gegen das Kopfbrett lehnte und den Riesen, der in ihr vernebeltes Blickfeld getreten war, mit glasigen Augen anstarrte, sah überhaupt nicht aus wie die Melly Moores, die ich seit zwanzig Jahren kannte; sie sah auch nicht aus wie die Melly Moores, die Janice und ich kurz vor Delacroix’ Hinrichtung besucht hatten. Die Frau, die im Bett saß, sah wie ein krankes Kind aus, das als Halloween-Hexe herausgeputzt war. Ihre totenbleiche Haut war ein hängender Teig von Runzeln. Sie war um das rechte Auge verzogen, als versuchte sie zu zwinkern. Auf derselben Seite war auch ihr Mund nach unten verzogen; ein alter gelber Eckzahn ragte über ihre blutleere Unterlippe. Das Haar lag wie ein wilder, dünner Nebel um ihren Schädel. Das Zimmer stank nach dem ganzen Zeug, das unsere Körper reichlich ausscheiden, wenn die

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