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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schrie, dass er ein gebratener Truthahn sei. Ich glaube, dass es Gutes auf der Welt gibt, dass auf die eine oder andere Weise alles von einem liebenden Gott kommt. Aber ich glaube, es gibt ebenso eine andere Kraft, die genauso real wie der Gott ist, zu dem ich mein ganzes Leben gebetet habe, und dass sie bewusst daran arbeitet, all unsere anständigen Impulse zu ruinieren. Nicht Satan, ich meine nicht Satan (obwohl ich glaube, dass auch er real ist), sondern eine Art Dämon der Zwietracht, ein zu Streichen aufgelegtes und blödes Ding, das schadenfroh lacht, wenn sich ein alter Mann beim Versuch, seine Pfeife anzuzünden, selbst in Brand steckt, oder wenn ein geliebtes Baby das erste Weihnachtsspielzeug in den Mund steckt und daran erstickt. Ich habe viele Jahre darüber nachgedacht, auf dem ganzen Weg von Cold Mountain nach Georgia Pines, und ich glaube, diese Kraft war aktiv am Werk bei uns an diesem Morgen, waberte überall wie Nebel herum und versuchte, John Coffey von Melinda Moores fernzuhalten.
    »Direktor … Hal … ich …« Nichts, was ich versuchte, ergab irgendeinen Sinn. Er hob wieder die Waffe und zielte zwischen mir und Brutal hindurch, ohne zuzuhören. Seine blutunterlaufenen Augen waren jetzt weit aufgerissen. Und da kam Harry Terwilliger, mehr oder weniger gezogen von unserem großen Jungen, der sein breites, dämlich entzückendes Lächeln zeigte.
    »Coffey«, keuchte Moores. »John Coffey.« Er holte Luft und brüllte mit einer Stimme, die quäkend, aber fest klang: »Halt! Stehen bleiben, oder ich schieße!«
    Irgendwo hinter ihm ertönte eine schwache und zittrige Frauenstimme: »Hal? Was machst du da draußen? Mit wem sprichst du, du verfickter Schwanzlutscher?«
    Er blickte kurz in ihre Richtung, und seine Miene spiegelte Bestürzung und Verzweiflung wider. Er war nur kurz abgelenkt, wie ich schon sagte, aber es hätte lange genug für mich sein sollen, um ihm die langläufige Waffe aus der Hand zu reißen. Aber ich konnte meine Hände nicht heben. Es war, als wären schwere Gewichte an sie gebunden. Mein Kopf schien voller Rauschen zu sein wie ein Radio, das während eines Gewitters sendete. Die einzigen Gefühle, an die ich mich erinnere, waren Furcht und so etwas wie Mitleid mit Hal, dem die Worte seiner Frau peinlich waren.
    Harry und John Coffey kamen am Fuß der Verandatreppe an. Moores wandte den Kopf vom Klang der Stimme seiner Frau fort und hob wieder den Revolver. Er sagte später, dass er fest entschlossen gewesen war, Coffey zu erschießen; er argwöhnte, dass wir alle Geiseln waren und der Kopf, der hinter unserer Entführung steckte, beim Truck in der Dunkelheit lauerte. Er verstand nicht, warum man uns zu seinem Haus gebracht hatte, aber Rache war das wahrscheinlichste Motiv.
    Bevor er schießen konnte, trat Harry Terwilliger vor Coffey und schirmte das meiste von seinem Körper ab. Coffey hatte ihn nicht dazu aufgefordert; Harry tat es aus eigenem Antrieb.
    »Nein, Direktor Moores!«, sagte er. »Es ist alles in Ordnung! Niemand ist bewaffnet, niemandem wird etwas passieren, wir sind hier, um zu helfen!«
    »Helfen?« Moores’ buschige Brauen zogen sich zusammen. Seine Augen glühten vor Zorn. Ich konnte den Blick nicht von dem gespannten Hammer des Buntline nehmen. » Wobei helfen? Wem helfen?«
    Wie als Antwort ertönte wieder die zitternde alte Frauenstimme, quengelig und bestimmt und ohne jegliches Schamgefühl: »Komm her und fick mein Dreckloch, du Hurensohn! Bring deine Arschloch-Freunde mit! Dürfen alle mal ran!«
    Ich schaute erschüttert zu Brutal. Ich hatte gewusst, dass sie fluchte – dass der Tumor sie irgendwie dazu brachte, aber das war mehr als Fluchen. Viel mehr.
    »Was treibt ihr hier?«, fragte Moores von Neuem. Viel von seiner Entschlossenheit war verschwunden – die zittrigen Rufe seiner Frau hatten das bewirkt. »Ich verstehe das nicht. Ist das ein Ausbruch oder …«
    John stellte Harry beiseite – er hob ihn einfach an und stellte ihn wieder ab – und stieg dann auf die Veranda. Er blieb zwischen Brutal und mir stehen, so groß, dass er uns fast beiseite und in Mellys Stechpalmen schubste. Moores’ Blick folgte ihm, wie jemand hochschielt, wenn er versucht, den Wipfel eines hohen Baums zu sehen. Und plötzlich verstand ich. Dieser Geist der Zwietracht, der wirbelnd durch meine Gedanken gefahren war wie mächtige Finger durch Sand oder Maiskörner, war verschwunden. Ich glaubte auch zu verstehen, warum. Harry hatte handeln können, während Brutal

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