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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Dinge richtig laufen. Das Nachtgeschirr bei ihrem Bett war halbvoll mit gelblichem, schmierigem Zeug. Jetzt sind wir auch noch zu spät gekommen, dachte ich entsetzt. Es war nur eine Sache von Tagen gewesen, seit sie zu erkennen gewesen war – krank, aber noch sie selbst. Seither musste sich das Ding in ihrem Kopf mit erschreckender Schnelligkeit vergrößert haben, um seine Position zu stärken. Ich glaubte nicht, dass John Coffey ihr jetzt noch helfen konnte.
    Bei Coffeys Eintreten spiegelte ihr Gesicht Furcht und Entsetzen wider – als ob ein Ding in ihr einen Arzt erkannte, der an es herankommen und es herausholen könnte … oder es mit Salz bestreuen könnte, wie man es mit einem Blutegel machte, damit er losließ. Hören Sie mir genau zu: Ich sage nicht, dass Melly Moores besessen war, und mir ist bewusst, dass all meine Wahrnehmungen in dieser Nacht fragwürdig waren, weil ich so aufgeregt und durcheinander war. Aber ich habe die Möglichkeit, dass sie von einem Dämon besessen war, auch nie völlig ausgeschlossen. Da war etwas in ihren Augen, sage ich Ihnen, das wie Furcht aussah. In diesem Punkt können Sie mir vertrauen, das ist eine Gefühlsregung, die ich zu oft gesehen habe, um mich zu irren.
    Was auch immer es war, es verschwand schnell und wurde ersetzt durch einen Ausdruck von lebhaftem, irrationalem Interesse. Dieser entsetzliche Mund zitterte und zeigte etwas, das vielleicht ein Lächeln war.
    »Oh, so groß!«, rief sie. Sie klang wie ein kleines Mädchen, das gerade an einer schlimmen Halsentzündung erkrankt war. Sie zog ihre Hände – so schwammig weiß wie ihr Gesicht – unter der Bettdecke hervor und klatschte sie zusammen. »Lass die Hosen runter! Ich habe mein Leben lang von Niggerschwänzen gehört, aber noch nie einen gesehen!«
    Hinter mir stieß Moores ein leises Stöhnen voller Verzweiflung aus.
    John Coffey achtete auf nichts davon. Nachdem er einen Moment lang still dagestanden hatte, wie um sie aus der Nähe zu beobachten, ging er zum Bett, das von einer einzelnen Nachttischlampe erhellt war. Die Lampe warf einen hellen Lichtkreis auf die weiße Tagesdecke, die bis zur Spitze am Kragen ihres Nachthemds hochgezogen war. Jenseits des Bettes, im Schatten, sah ich die Chaiselongue, die eigentlich ins Wohnzimmer gehörte. Eine Afghanen-Decke, die Melly in glücklicheren Tagen selbst gestrickt hatte, lag halb auf der Chaiselongue und halb auf dem Boden. Hier hatte Hal geschlafen – oder zumindest gedöst – als wir auf den Hof gefahren waren.
    Als John sich ihr näherte, veränderte sich Mellys Miene ein drittes Mal. Plötzlich sah ich wieder die Melly, deren Freundlichkeit mir im Laufe der Jahre so viel bedeutet hatte und Janice sogar noch mehr, nachdem die Kinder aus dem Nest ausgeflogen waren und sie sich einsam und nutzlos und traurig gefühlt hatte. Melly schaute immer noch interessiert, aber jetzt wirkte ihr Interesse geistig gesund, und sie wusste, was sie sagte.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie mit klarer Stimme. »Und warum haben Sie so viele Narben auf den Händen und Armen? Wer hat Ihnen so schlimm wehgetan?«
    »Ich erinnere mich kaum, woher all die Narben kommen, Ma’am«, sagte John Coffey in demütigem Tonfall und setzte sich neben ihr aufs Bett.
    Melinda lächelte, so gut sie konnte – die nach unten verzogene rechte Seite ihres Mundes bebte, kam jedoch nicht ganz hoch. Sie berührte eine weiße Narbe auf seinem linken Handrücken, die wie ein Krummsäbel gebogen war. »Welch ein Segen das ist! Verstehen Sie, warum?«
    »Ich nehme an, wenn man nicht weiß, wer einen verletzt oder verfolgt hat, dann liegt man des Nachts nicht wach«, sagte John Coffey in seiner Beinahe-Südstaatenstimme.
    Sie lachte darüber, und das Lachen klang silberhell in dem stinkenden Krankenzimmer. Hal war jetzt neben mir. Er atmete schnell, versuchte jedoch nicht zu stören. Als Melly lachte, stockte ihm für einen Moment der Atem, und er packte mich mit einer seiner großen Hände an der Schulter. Er drückte hart genug zu, um einen blauen Fleck zu hinterlassen – ich sah ihn am nächsten Tag -, aber in diesem Augenblick spürte ich es kaum.
    »Wie heißen Sie?«, fragte Melinda.
    »John Coffey, Ma’am.«
    »Wie das Getränk?«
    »Ja, Ma’am, nur anders geschrieben.«
    Sie legte sich zurück auf ihre Kissen, halb aufgerichtet, aber nicht ganz sitzend, und sah ihn an. Er saß neben ihr, schaute sie ebenfalls an, und das Licht der Lampe kreiste sie ein wie Schauspieler auf einer Bühne –

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