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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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diese vorwärtsmarschierenden Lichter, wie ein Mann, der vor einer Betonmauer steht und seine letzte Zigarette raucht, womöglich den Gleichschritt des nahenden Erschießungskommandos beobachtet. Aber ich wollte mir selbst da noch nicht eingestehen, dass es zu spät war, bis das abgehackte Tuckern des Motors verstummte, Türen klappten, Kies knirschte, als Harry und Brutal ausstiegen. John stand auf und zog mich mit hoch.
    Im schwachen Licht wirkte sein Gesicht lebhaft und eifrig. Warum auch nicht? Ich erinnere mich, dass ich das dachte. Warum sollte er nicht eifrig aussehen? Er war ein Idiot.
    Brutal und Harry standen Schulter an Schulter hinter dem Truck – wie Jungen in einem Gewitter, und ich sah, dass beide so ängstlich, verwirrt und nervös aussahen, wie ich mich fühlte. Dadurch fühlte ich mich noch schlimmer.
    John stieg vom Truck. Für ihn war das mehr ein Schritt als ein Sprung. Ich folgte ihm, steifbeinig und unglücklich. Ich wäre auf den kalten Kies gefallen, wenn Coffey mich nicht am Arm gepackt hätte.
    »Wir machen einen Fehler«, sagte Brutal. Seine Augen waren sehr groß und spiegelten Angst wider. »Allmächtiger, Paul, was haben wir uns dabei nur gedacht?«
    »Zu spät jetzt«, sagte ich. Ich stieß Coffey an der Hüfte an, und er ging gehorsam zu Harry und blieb neben ihm stehen. Dann schnappte ich mir Brutal am Ellenbogen, als wären wir ein Paar, das sich verabredet hatte, und wir gingen zur Veranda, auf der nun auch Licht brannte. »Überlass mir das Reden. Verstanden?«
    »Ja«, sagte Brutal. »Das ist im Augenblick das Einzige, was ich verstehe.« Ich blickte über die Schulter. »Harry, bleib mit ihm beim Truck, bis ich dich rufe. Ich will, dass Moores ihn erst sieht, wenn ich bereit bin.« Aber ich würde nie bereit sein, das wusste ich jetzt.
    Brutal und ich hatten gerade den Fuß der Veranda erreicht, als die Tür so kräftig aufgerissen wurde, dass der Türklopfer aus Messing gegen die Platte schlug. Dort stand Hal Moores in blauer Pyjamahose und einem Unterhemd. Sein graues Haar stand wirr vom Kopf ab. Er war ein Mann, der sich in seiner Laufbahn Tausende Feinde gemacht hatte, und das wusste er. In seiner rechten Hand hielt er den Revolver, der immer über dem Kamin hing und dessen abnorm langer Lauf jetzt nicht ganz auf den Boden zeigte. Es war die Art Pistole, die als Ned Buntline Special bekannt ist. Sie hatte seinem Großvater gehört, und jetzt (ich sah es, und mir rutschte wieder etwas in die Hose) war sie gespannt und schussbereit.
    »Wer zur Hölle ist da um halb drei am Morgen?«, fragte er. Ich hörte keinerlei Furcht in seiner Stimme. Und sein Zittern hatte aufgehört – jedenfalls vorübergehend. Die Hand mit der Waffe war völlig ruhig. »Antwortet mir, oder …« Er hob die Waffe an.
    »Halt, Direktor!« Brutal hob die Hände mit den Handflächen nach vorn zu dem Mann mit der Waffe hin. Ich hatte seine Stimme noch niemals so gehört wie in diesem Augenblick; es war, als ob das Zittern von Moores’ Händen irgendwie einen Weg in Brutus Howells Kehle gefunden hätte. »Wir sind es! Paul und ich und … Wir sind es!«
    Er trat auf die erste Stufe der Verandatreppe, damit der Lichtschein auf sein Gesicht fallen konnte. Ich folgte ihm. Hal Moores blickte zwischen uns hin und her, und seine wütende Entschlossenheit ging in Verwirrung über. »Was macht ihr denn hier?«, fragte er. »Es ist nicht nur mitten in der Nacht, sondern ihr Jungs habt auch noch Dienst. Ich weiß das, denn ich habe den Dienstplan in meinem Arbeitszimmer aufgehängt. Also was in Gottes Namen … O verdammt, ist etwas passiert? Eine Abriegelung? Ein Aufstand?« Er schaute zwischen uns hin und her, und sein Blick wurde schärfer. »Wer ist sonst noch da unten beim Truck?«
    Überlass mir das Reden, hatte ich Brutal angewiesen, aber jetzt war der Zeitpunkt des Redens da, und ich brachte keinen Ton raus. Auf dem Weg zur Arbeit an diesem Nachmittag hatte ich mir sorgfältig zurechtgelegt, was ich hier sagen würde, und hatte gedacht, dass es nicht zu verrückt klang. Nicht normal – nichts bei dieser Sache war normal -, aber vielleicht nahe genug an der Normalität, dass er uns ins Haus ließ und uns eine Chance gab. Dass er John eine Chance gab. Aber jetzt waren alle meine sorgfältig einstudierten Worte in der Verwirrung verloren gegangen. Gedanken und Bilder wirbelten durch meinen Kopf wie Sand in einer Windhose – der brennende Del, die sterbende Maus, Toot, der auf Old Sparkys Schoß ruckte und

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