The Green Mile
Kissen. Dean hörte uns und kam vom Wachpult am Kopf der Green Mile.
»Gott sei Dank! Ich dachte schon, ihr kommt nie zurück. Ich war fast überzeugt, dass ihr geschnappt worden seid oder der Direktor euch eine Kugel verpasst hat oder …« Er verstummte, als sein Blick das erste Mal auf John fiel. »Heilige Makrele, was ist denn mit ihm los? Er sieht aus, als ob er stirbt!«
»Er stirbt nicht … oder, John?«, fragte Brutal. Seine Augen signalisierten Dean eine Warnung.
»Natürlich nicht, ich meinte das nicht so, dass er wirklich stirbt …« Dean stieß ein nervöses kleines Lachen aus. »Aber, Himmel …«
»Lass es gut sein«, sagte ich. »Hilf uns, ihn in seine Zelle zu bringen.«
Wieder einmal waren wir Hügel um einen Berg namens John Coffey, aber jetzt war es ein Berg, der ein paar Millionen Jahre an Erosion durchlitten hatte und ausgelaugt und traurig war. John Coffey bewegte sich langsam und atmete schnaufend durch den Mund wie ein alter Mann, der zu viel geraucht hat, aber immerhin bewegte er sich.
»Was ist mit Percy?«, fragte ich. »Hat er Theater gemacht?«
»Am Anfang«, sagte Dean, »versuchte er durch das Isolierband zu brüllen, das du ihm übers Maul geklebt hast. Flüche, glaube ich.«
»Eine echte Gnade«, sagte Brutal. »Gut, dass unsere zarten Ohren woanders waren.«
»Seither nur dann und wann ein kaum hörbarer Tritt gegen die Tür.« Dean war so erleichtert, uns wiederzusehen, dass er brabbelte. Seine Brille war auf die Spitze der Nase gerutscht, die vor Schweiß glänzte. Er rückte die Brille zurecht. Wir passierten Whartons Zelle. Dieser nichtsnutzige junge Mann lag flach auf dem Rücken und schnarchte wie ein Sousaphon. Seine Augen waren diesmal geschlossen. Dean sah meinen Blick und lachte.
»Keine Probleme von diesem Kerl! Hat sich nicht mehr geregt, seit er auf der Pritsche liegt. Total weg. Und was Percys gelegentliche Tritte gegen die Tür anbetrifft, die haben mir nichts ausgemacht. Ich war sogar froh darüber. Wenn er überhaupt keine Geräusche von sich gegeben hätte, dann hätte ich mich gefragt, ob er an dem Knebel, dem wir ihm übers Maul geklebt haben, erstickt ist. Aber das ist noch nicht der Clou. Wisst ihr, was der Clou ist? Es war so ruhig wie am Aschermittwochmorgen in New Orleans! Die ganze Nacht hat sich kein Mensch blicken lassen.« Letzteres sagte er mit triumphierender Stimme. Er freute sich diebisch. »Wir sind damit durchgekommen! Wir haben es geschafft!«
Das erinnerte ihn daran, warum wir überhaupt die ganze Komödie aufgeführt hatten, und er erkundigte sich nach Melinda.
»Es geht ihr prima«, sagte ich. Wir gelangten zu John Coffeys Zelle. Was Dean gesagt hatte, wirkte gerade auf uns ein. Wir sind damit durchgekommen. Wir haben es geschafft.
»War es wie … du weißt schon … wie mit der Maus?«, fragte Dean. Er blickte kurz zu der leeren Zelle, in der Delacroix mit Mr. Jingles gewohnt hatte, dann hinab zu der Gummizelle, von der aus die Maus wahrscheinlich zum ersten Mal aufgetaucht war. Er senkte die Stimme, wie es Leute tun, wenn sie eine große Kirche betreten, wo sogar die Stille zu flüstern scheint. »War es ein …« Er schluckte. »Sag’s schon, du weißt, was ich meine … War es ein Wunder?«
Wir drei schauten uns kurz an, bestätigten, was wir bereits wussten. »Er holte sie aus ihrem verdammten Grab zurück«, sagte Harry. »Ja, es war ein Wunder.«
Brutal schloss die beiden Schlösser der Zelle auf und schob John sanft hinein. »Geh, großer Junge. Ruh dich eine Weile aus. Du hast es verdient. Wir kümmern uns um Percy und …«
»Er ist ein böser Mann«, sagte John mit leiser, mechanisch klingender Stimme.
»Das stimmt zweifellos, verdorben wie ein Hexer«, pflichtete ihm Brutal in seinem beruhigendsten Tonfall bei. »Aber du brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen, wir lassen ihn nicht in deine Nähe. Entspann dich auf deiner Pritsche, und ich besorge dir im Nu eine Tasse Kaffee. Heiß und stark. Du wirst dich wie neugeboren fühlen.« John ließ sich schwer auf die Pritsche sinken. Ich dachte, er würde sich zurückfallen lassen und zur Wand rollen, wie er es für gewöhnlich tat, aber er blieb einfach dort sitzen, hielt die Hände zwischen den Knien verschränkt, senkte den Kopf und atmete stoßweise durch den Mund. Das Medaillon des Heiligen Christophorus, das Melinda ihm geschenkt hatte, war aus seinem Hemd gerutscht und pendelte hin und her. Er wird dich beschützen, hatte sie ihm gesagt, aber John Coffey
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