The Green Mile
Körper. »Was möchtest du sonst noch?«
»Weiß nicht, Boss. Was immer Sie haben. Eine Okra vielleicht, aber ich bin nicht wählerisch.«
»In Ordnung«, sagte ich, und ich dachte, er würde ebenfalls ein Stück von Mrs. Janice Edgecombes Pfirsich-Cobbler zum Nachtisch bekommen. »Wie steht es mit einem Priester? Mit jemand, mit dem du übernächste Nacht ein kleines Gebet sprichst? Das tröstet einen, habe ich oft erlebt. Ich könnte Kontakt mit Reverend Schuster aufnehmen, das ist der Mann, der kam, als Del …«
»Ich will keinen Priester«, sagte John. »Sie waren gut zu mir, Boss. Sie können ein Gebet sprechen, wenn Sie wollen. Das wäre in Ordnung. Ich könnte mich eine Weile mit Ihnen hinknien, nehme ich an.«
» Ich? John, ich kann nicht …«
Er drückte meine Hände ein wenig fester, und dieses kribbelnde Gefühl wurde stärker. »Sie können «, sagte er. »Nicht wahr, Boss?«
»Ich nehme es an«, hörte ich mich sagen. Meine Stimme schien ein Echo zu entwickeln. »Ich nehme an, ich kann es, wenn es sein muss.«
Das Gefühl war jetzt stark in mir, und es war wie zuvor, als er mein Wasserwerk von dem Harnwegsinfekt geheilt hatte, doch es war auch anders. Und nicht nur, weil ich diesmal nicht krank war. Es war anders, weil er diesmal nicht wusste, dass er es tat. Plötzlich bekam ich schreckliche Angst, erstickte fast an dem Verlangen, aus der Zelle herauszukommen. Lichter gingen in mir an, wo nie zuvor welche gewesen waren.
Nicht nur in meinem Gehirn; auch in meinem ganzen Körper.
»Sie und Mr. Howell und die anderen Bosse waren gut zu mir«, sagte John Coffey. »Ich weiß, Sie haben sich Sorgen gemacht, aber damit sollten Sie jetzt aufhören. Denn ich will gehen, Boss.«
Ich wollte sprechen und konnte es nicht. Aber er konnte sprechen. Was er als Nächstes sagte, war das Längste, das ich je von ihm hörte.
»Ich bin den Schmerz leid, den ich höre und fühle, Boss. Ich habe es satt, auf der Straße zu sein, einsam wie ein Rotkehlchen in der Nacht. Nie einen Freund zu haben, der mich begleitet oder mir sagt, woher wir kommen oder gehen oder warum. Ich bin es leid, dass Leute gemein zueinander sind. Das ist ein Gefühl wie Glasscherben in meinem Kopf. Ich bin all die Gelegenheiten leid, an denen ich helfen wollte und es nicht konnte. Ich bin es leid, in der Dunkelheit zu sein. Aber hauptsächlich ist es der Schmerz. Er ist zu stark. Wenn ich ihn beenden könnte, würde ich das tun. Aber ich kann es nicht.«
Hör auf, wollte ich sagen. Hör auf, lass meine Hände los, ich werde sonst ertrinken. Ertrinken oder explodieren.
»Sie werden nicht explodieren«, sagte er und lächelte ein wenig bei der Vorstellung … aber er ließ meine Hände los.
Ich neigte mich vor und schnappte nach Luft. Zwischen meinen Knien konnte ich jeden Riss im Boden, jede Furche, jedes Glänzen von Glimmererde sehen. Ich schaute auf zur Wand und sah Namen, die dort 1924, 1926, 1931 hingeschrieben worden waren. Diese Namen waren weggewaschen worden, die Männer, die sie geschrieben hatten, waren sozusagen auch weggewaschen worden, aber ich nehme an, man kann nie etwas völlig wegwaschen, nicht in diesem dunklen Glas von einer Welt. Jetzt sah ich sie wieder, ein Gewirr von Namen übereinander, und während ich darauf schaute, war es, als hörte ich die Toten sprechen und singen und um Gnade schreien. Ich spürte meine Augäpfel in ihren Höhlen pulsieren, nahm meinen eigenen Herzschlag laut wahr, hörte mein Blut durch all die Adern meines Körpers rauschen, als würden überallhin Briefe zugestellt.
Ich hörte einen Zug in der Ferne pfeifen – der 3-Uhr-50-Zug nach Priceford, glaube ich, aber ich war mir nicht sicher, weil ich ihn nie zuvor gehört hatte. Nicht von Cold Mountain aus, meine ich, denn der Zug kam nicht näher an das Staatsgefängnis heran als zehn Meilen im Osten. Ich konnte ihn nicht vom Knast aus gehört haben, werden Sie sagen, und das hätte ich auch bis zum November 1932 geglaubt, aber an diesem Tag hörte ich ihn.
Irgendwo zerplatzte eine Glühbirne laut wie eine Bombe.
»Was hast du mit mir gemacht?«, flüsterte ich. »O John, was hast du mit mir gemacht?«
»Es tut mir leid, Boss«, sagte er auf seine ruhige Weise. »Ich habe an nichts gedacht. Es wird nicht viel passieren, schätze ich. Sie werden sich bald wieder normal fühlen.«
Ich stand auf und ging zur Zellentür. Ich fühlte mich, als wandelte ich in einem Traum. Als ich bei der Tür war, sagte Coffey: »Sie fragen sich, warum die
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