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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Mädchen nicht geschrien haben? Das ist das Einzige, über das Sie sich noch wundern, nicht wahr? Warum diese beiden kleinen Mädchen nicht geschrien haben, als sie noch auf der Veranda waren.«
    Ich wandte mich um und schaute ihn an. Ich konnte jedes rötliche Äderchen in seinen Augen sehen, jede Pore seines Gesichts … und ich spürte seinen Schmerz, den Schmerz, den er von anderen aufsaugte wie ein Schwamm Wasser. Ich konnte auch die Dunkelheit sehen, von der er gesprochen hatte. Sie war in allen Räumen der Welt, wie er sie sah, und in diesem Moment empfand ich sowohl Mitleid mit ihm als auch große Erleichterung. Ja, es war schrecklich, was wir tun würden, nichts würde das jemals ändern … und dennoch würden wir ihm einen Gefallen tun.
    »Ich habe es gesehen, als dieser böse Kerl mich anpackte«, sagte John. »Da wusste ich, dass er es getan hat. Ich habe ihn an diesem Tag gesehen. Ich war zwischen den Bäumen und sah, wie er sie fallen ließ und davonrannte. Aber …«
    »Du hattest es vergessen«, sagte ich.
    »Das stimmt, Boss. Es fiel mir erst wieder ein, als er mich berührte.«
    »Warum haben die Mädchen nicht geschrien, John? Er hat ihnen wehgetan, sie bluteten, und ihre Eltern waren gleich oben im Haus. Warum haben sie nicht geschrien?«
    John schaute mich gequält an. »Er sagte zu einem der Mädchen: ›Wenn du nicht mucksmäuschenstill bist, töte ich deine Schwester, nicht dich.‹ Das Gleiche sagte er der anderen. Verstehen Sie?«
    »Ja«, flüsterte ich, und ich konnte es sehen. Die Veranda der Dettericks im Dunkeln. Wharton neigt sich wie ein Ghul über sie. Eines der Mädchen setzt zu einem Schrei an. Wharton schlägt es, und es blutet aus der Nase. Davon stammte das meiste Blut.
    »Er tötete sie mit ihrer Liebe«, sagte John. »Ihrer Liebe zueinander. Verstehen Sie, wie es war?«
    Ich nickte, brachte kein Wort heraus.
    Er lächelte. Die Tränen flossen wieder, doch er lächelte. »So ist es jeden Tag«, sagte er, »auf der ganzen Welt.« Dann legte er sich auf die Pritsche und drehte das Gesicht zur Wand.
    Ich trat hinaus auf die Meile, schloss seine Zellentür ab und ging zum Wachpult. Ich fühlte mich immer noch wie in einem Traum. Ich erkannte, dass ich Brutals Gedanken hören konnte – ein sehr schwaches Wispern, die Überlegung, wie man ein bestimmtes Wort trennte, ich glaube, das Wort hieß empfangen. Er dachte: Wird das verdammte Wort em-pfan-gen oder emp-fan-gen getrennt? Dann blickte er auf, begann zu lächeln und hörte im Ansatz auf, als er mich genauer betrachtete. »Paul?«, fragte er. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja.« Dann erzählte ich ihm, was John mir gesagt hatte – nicht alles und natürlich nicht, was seine Berührung bei mir bewirkt hatte (ich habe diesen Teil niemals jemandem erzählt, nicht einmal Janice; Elaine Connelly wird die Erste sein, die es erfährt, das heißt, wenn sie diese letzten Seiten lesen will, nachdem sie all die anderen gelesen hat), aber ich gab wieder, dass John gesagt hatte, dass er gehen wollte. Das war anscheinend eine Erleichterung für Brutal – eine kleine jedenfalls -, aber ich spürte (hörte?), dass er sich fragte, ob ich das nicht erfunden hatte, nur um ihn zu beruhigen. Dann spürte ich, dass er sich entschied, es zu glauben, einfach, weil es ihm die Dinge ein bisschen erleichtern würde, wenn es so weit war.
    »Paul, kommt diese Infektion zurück?«, fragte er. »Du siehst ganz rot im Gesicht aus.«
    »Nein, ich glaube, ich bin okay«, sagte ich. Das war ich nicht, aber ich war zu diesem Zeitpunkt überzeugt, dass John recht hatte und ich bald wieder normal sein würde. Ich spürte, dass das Kribbeln nachließ.
    »Trotzdem könnte es nicht schaden, wenn du in dein Büro gehst und dich ein bisschen hinlegst.«
    Hinlegen war das Letzte, nach dem mir in diesem Augenblick zumute war – die Idee kam mir so lächerlich vor, dass ich fast lachte. Ich war mehr in der Stimmung, mir vielleicht ein kleines Haus zu bauen, das Dach mit Schindeln zu decken, den Garten im Hinterhof umzugraben und zu bepflanzen. Alles vor dem Abendessen.
    So ist es, dachte ich, jeden Tag. Auf der ganzen Welt. Diese Dunkelheit. Auf der ganzen Welt.
    »Ich schaue lieber mal bei der Verwaltung vorbei. Muss dort ein paar Dinge überprüfen.«
    »Wenn du meinst.«
    Ich ging zur Tür und öffnete sie. Dann blickte ich zurück. »Du hast es richtig getrennt«, sagte ich. »EMP-FAN-GEN, nach dem P und dem N. So kenne ich es jedenfalls; aber ich nehme an, es gibt

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