The Green Mile
erledigen, war im Trubel danach verschwunden.
»Sie haben recht, er ist über die Runden gekommen«, sagte Brutal. »Aber Sie müssen bedenken, dass er sich durchgemogelt hat, bevor er als Vergewaltiger und Mörder zweier kleiner Mädchen verurteilt wurde.«
Sie saß da, ohne zu antworten. Sie saß fast eine volle Minute stumm da, und dann tat sie etwas, was mich so sehr schockierte, wie sie von meiner Tränenflut schockiert gewesen sein musste. Sie wischte mit einem weiten Schwung alles vom Tisch – Teller, Gläser, Tassen, Bestecke, die Schüsseln mit Kohl und Kartoffelbrei, den Teller mit Schinken, die Milch, die Kanne mit dem kalten Tee. Alles vom Tisch und auf den Boden – scha-schmetter.
»Heilige Scheiße«, stieß Dean hervor und ruckte so abrupt vom Tisch fort, dass er fast mit dem Stuhl umgekippt wäre.
Janice ignorierte ihn. Sie starrte Brutal und mich an, hauptsächlich mich. »Wollt ihr ihn töten, ihr Feiglinge?«, fragte sie. »Wollt ihr den Mann töten, der Melinda Moores’ Leben gerettet hat? Der versucht hat, das Leben dieser kleinen Mädchen zu retten? Nun, dann wird wenigstens ein Schwarzer weniger auf der Welt sein, nicht wahr? Damit könnt ihr euch trösten. Ein Nigger weniger. «
Sie stand auf, schaute auf ihren Stuhl und trat ihn gegen die Wand. Er prallte ab und kippte in den verstreuten Kartoffelbrei. Ich fasste Janice am Handgelenk an, doch sie riss sich los.
»Rühr mich nicht an!«, sagte sie. »Nächste Woche um diese Zeit wirst du ein Mörder sein, nicht besser als dieser Wharton, also rühr mich nicht an!«
Sie ging hinaus auf die hintere Veranda, zog ihre Schürze übers Gesicht und schluchzte hinein. Wir vier schauten uns an. Nach einer Weile erhob ich mich und begann, die Küche sauber zu machen. Brutal half mir, dann machten auch Harry und Dean mit. Als es in der Küche wieder mehr oder weniger tipptopp aussah, gingen sie. Die ganze Zeit über sagte keiner von uns ein Wort. Es gab wirklich nichts mehr zu sagen.
6
In dieser Nacht hatte ich dienstfrei. Ich saß im Wohnzimmer unseres kleinen Hauses, rauchte Zigaretten, hörte Radio und beobachtete, wie die Dunkelheit den Himmel verschlang. Fernsehen ist in Ordnung, ich habe nichts dagegen, aber ich mag nicht, wie es einen vom Rest der Welt weg zu seinem eigenen glasigen Selbst hin zieht. In dieser Hinsicht jedenfalls war es besser, Radio zu hören.
Janice kam herein, kniete sich neben die Lehne meines Sessels und ergriff meine Hand. Eine Zeit lang sagte keiner von uns etwas, wir verharrten nur so und lauschten Kay Kysers Kollege of Musical Knowledge und beobachteten, wie sich die Sterne zeigten. Mir war das ganz recht.
»Es tut mir so leid, dass ich dich einen Feigling genannt habe«, sagte Janice. »Ich fühle mich schlimmer deswegen als wegen allem, was ich in unserer ganzen Ehe zu dir gesagt habe.«
»Sogar als wir zum Campen gefahren sind und du mich Old Stinky Sam genannt hast?«, fragte ich, und dann lachten wir und küssten uns, und es war wieder besser zwischen uns. Sie war so wunderschön, meine Janice, und ich träume immer noch von ihr. Alt und des Lebens müde, wie ich bin, werde ich davon träumen, dass sie in diesem einsamen, vergessenen Ort, wo die Dielen nach Pisse und altem gekochtem Kohl stinken, in mein Zimmer tritt. Ich träume von ihrer Jugend und Schönheit, von ihren blauen Augen und den feinen, stolzen Brüsten, von denen ich kaum meine Hände lassen konnte, und sie sagt: Schatz, ich war nicht bei diesem Busunfall. Du hast dich geirrt, das ist alles. Sogar jetzt träume ich das noch, und manchmal, wenn ich aufwache und mir bewusst wird, dass es ein Traum war, weine ich. Ich, der ich früher kaum jemals geheult habe.
»Weiß Hal es?«, fragte Janice schließlich.
»Dass John unschuldig ist? Ich wüsste nicht, wie er das wissen sollte.«
»Kann er helfen? Hat er Einfluss bei Cribus?«
»Kein bisschen, Schatz.«
Sie nickte, als ob sie das erwartet hätte. »Dann sag es ihm nicht. Wenn er nicht helfen kann, sag ihm um Gottes willen nichts davon.«
»Ja, ich sage ihm nichts.«
Sie schaute mich ruhig an. »Und du wirst dich in dieser Nacht nicht krankmelden. Keiner von euch wird das tun. Das könnt ihr nicht tun.«
»Richtig, das können wir nicht. Wenn wir dabei sind, können wir es wenigstens schnell für ihn machen. Wenigstens das können wir tun. Es wird nicht wie bei Delacroix sein.« Einen Moment lang, gnädigerweise war er kurz, sah ich die schwarze Seidenhaube von Dels Gesicht
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