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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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fragte Dean mit schriller, angsterfüllter Stimme.
    »Alles in Ordnung«, hörte ich mich sagen. »Keine Panik, es ist alles okay, in ein paar Sekunden sind sie fort.«
    Es war genau wie an dem Tag, an dem Coffey meinen Harnwegsinfekt geheilt hatte. Die »Insekten« wurden weiß und verschwanden dann.
    »Heilige Scheiße«, flüsterte Harry.
    »Paul?«, fragte Brutal mit bebender Stimme. »Paul?«
    Coffey sah wieder okay aus – wie jemand, der erfolgreich einen Bissen Fleisch ausgehustet hat, an dem er zu ersticken drohte. Er bückte sich, hielt die übereinandergewölbten Hände auf den Boden, spähte durch die Lücken zwischen seinen Fingern und öffnete die Hände. Mr. Jingles, völlig unversehrt – mit geradem Rückgrat und keinem einzigen aus dem Fell ragenden Knochensplitter -, fitzte heraus. Er verharrte kurz an der Tür von Coffeys Zelle und lief dann über die Green Mile in Delacroix’ Zelle. Während er da lief, fiel mir auf, dass immer noch kleine Blutstropfen an seinen Barthaaren klebten.
    Delacroix hob ihn auf, lachte und weinte gleichzeitig, während er die Maus ungeniert mit schmatzenden Küssen überschüttete. Dean und Harry und Brutal sahen in stummem Staunen zu. Dann trat Brutal vor und reichte die bunte Rolle durch die Gitterstäbe. Delacroix sah sie zuerst nicht; Mr. Jingles nahm ihn zu sehr in Anspruch. Er war wie ein Vater, dessen Sohn vor dem Ertrinken gerettet worden war. Brutal tippte ihm mit der bunten Spule auf die Schulter. Delacroix blickte auf, sah sie, nahm sie und widmete sich wieder Mr. Jingles. Er streichelte das Fell und verschlang ihn mit Blicken, wie um sich zu bestätigen, ja, die Maus ist wohlauf, die Maus war ganz gesund und munter.
    »Wirf sie«, sagte Brutal. »Ich möchte sehen, wie er läuft«.
    »Er ist in Ordnung, Boss Howell, er wieder gut, gelobt sei …«
    »Wirf sie«, wiederholte Brutal. »Mach schon, Del.«
    Delacroix bückte sich sichtlich widerstrebend, weil er Mr. Jingles nicht aus den Händen geben wollte, jedenfalls noch nicht. Dann warf er sehr behutsam die Rolle. Sie rollte durch die Zelle an der Corona-Zigarrenkiste vorbei und zur Wand. Mr. Jingles lief hinterher, war aber nicht ganz so schnell wie früher. Er humpelte ganz leicht mit seinem linken Hinterbein, und das beeindruckte mich am meisten – wahrscheinlich machte das es erst real, dieses leichte Humpeln.
    Er kam jedoch zur Rolle und rollte sie voll seiner alten Begeisterung mit der Nase zu Delacroix zurück. Ich blickte zu John Coffey, der an der Tür seiner Zelle stand und lächelte. Es war ein müdes Lächeln, nicht gerade das, was ich als wirklich glücklich bezeichnen würde, aber der verzweifelte, drängende Ausdruck, den sein Gesicht gehabt hatte, als er mich angebettelt hatte, ihm die Maus zu geben, war verschwunden. Ebenso der Ausdruck von Schmerz und Furcht, als würde er ersticken. Es war wieder unser John Coffey, mit der geistesabwesenden Miene und dem sonderbaren, wie in weite Ferne gerichteten Blick.
    »Du hast dabei geholfen«, sagte ich. »Nicht wahr, großer Junge?«
    »Das stimmt«, sagte Coffey. Das Lächeln vertiefte sich ein wenig, und für einen Moment war es glücklich. »Ich habe dabei geholfen. Ich habe Dels Maus dabei geholfen. Ich habe …« Er verstummte, konnte sich nicht an den Namen erinnern.
    »Mr. Jingles«, sagte Dean. Er schaute John vorsichtig und staunend an, als erwartete er, dass Flammen aus ihm schlugen oder er vielleicht anfangen würde, in seiner Zelle zu schweben.
    »Das stimmt«, sagte Coffey. »Mr. Jingles. Er ist eine Zirkusmaus. Er wird hinter Hauseglas wohnen.«
    »Da kannst du deinen Arsch drauf verwetten«, sagte Harry, der jetzt ebenfalls John Coffey anstarrte. Hinter uns legte sich Delacroix auf die Pritsche und hielt Mr. Jingles auf der Brust. Del sang leise für ihn irgendein französisches Liedchen, das wie ein Wiegenlied klang.
    Coffey blickte über die Green Mile zum Wachpult und der Tür, die in mein Büro und weiter in den Lagerraum jenseits davon führte. »Boss Percy ist böse«, sagte er. »Boss Percy ist gemein. Er hat auf Dels Maus getreten. Er ist auf Mr. Jingles getreten.«
    Und dann, bevor wir etwas zu ihm sagen konnten – ehe uns etwas eingefallen war, was wir sagen könnten -, ging John Coffey zu seiner Pritsche zurück, legte sich darauf und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand.

3
    Percy stand mit dem Rücken zu uns da, als Brutal und ich zwanzig Minuten später den Lagerraum betraten. Er hatte eine Dose Möbelpolitur in

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