The Hollow
verstaut war, zog ich den Reißverschluss meiner Tasche zu.
Ben konnte ganz schön anstrengend sein, aber wenigstens brachte er mich die meiste Zeit über auf andere Gedanken.
Ich schulterte meine Tasche und ging zur Tür, als mir einfiel, dass ich ganz vergessen hatte, ihn zu bitten, mich zum Friedhof mitzunehmen. Ich zögerte und überlegte, ob ich bei meinem Plan bleiben und zu Fuß zu Nikolas und Katy gehen oder lieber Mom anrufen sollte, damit sie mich abholte.
Ich warf einen kurzen Blick aus dem Fenster, um nach dem Wetter zu sehen. Es wurde bereits dunkel, aber es war trocken. Ich zog mein Handy heraus, wählte Moms Nummer und wartete, bis sie sich meldete. Sie klang sehr beschäftigt, und als sie mir sagte, dass es heute erst spät Abendessen geben würde, weil sie noch ein paar unerwartete Dinge zu erledigen hatte, stand mein Entschluss fest.
Ich sagte ihr, sie sollte sich keine Gedanken machen, ich würde zu Fuß nach Hause kommen und mir auf dem Weg etwas zu essen kaufen. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass ich genügend Geld bei mir hatte, beendete sie das Gespräch mit einem hörbar erleichterten Seufzer.
Das war schon mal erledigt. Ich steckte das Handy wieder in die Tasche und verließ das Klassenzimmer. Es war merkwürdig, so spät noch in der Schule zu sein, deshalb lief ich rasch durch die Gänge auf die Eingangstür zu. Im Hintergrund ertönte das Geräusch einer gegen einen Türstopper prallenden Tür und ein paar Lehrer, die Hefte korrigierten, blickten auf, als ich an ihren Zimmern vorbeikam. Ich lächelte ihnen gequält zu und lief weiter. Jetzt hatte ich es eilig.
Draußen wurde ich von einem Gefühl der Freiheit erfasst. Ich rückte meine Tasche zurecht, steckte die bloßen Hände in die Taschen und schlug den Weg zum Friedhof ein. Ich musste einen Zwischenstopp einlegen.
Der kürzeste Weg zum Friedhof führte über den Fluss. Das war nicht ganz ungefährlich und es war das erste Mal, dass ich mich nicht an das Abkommen mit Kristen hielt, aber es war eben auch der schnellste Weg. Ich ging schnell und hatte schon bald das felsige Ufer erreicht.
Eine Minute lang schaute ich in das wild wirbelnde Wasser und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass ich die andere Seite erreichte, ohne hineinzufallen. Aber ich musste ja nur auf meine Schritte über die Trittsteine achten, dann wäre ich im Nu auf der anderen Seite. Ich vergewisserte mich, dass meine Büchertasche fest auf meinem Rücken lag, breitete die Arme aus, um ein besseres Gleichgewicht zu haben, und setzte probeweise einen Fuß auf den nächsten Stein, um festzustellen, wie rutschig er war. Der Schnee schien fast geschmolzen zu sein, aber bei der Kälte machte ich mir größere Sorgen um Glatteis.
Ich zog das zweite Bein nach und blieb eine Minute lang still auf dem Stein stehen. So weit, so gut. Bis zur anderen Seite musste ich nur noch fünf bis sechs Steine überqueren. Das Wasser floss schnell dahin und ich versuchte, nicht direkt hinunterzusehen. Ich richtete meinen Blick auf das andere Ufer und stieg auf den nächsten Stein.
Ich wählte nur die größten, flachsten Steine, was nicht ganz einfach war. Ich betrat den nächsten Stein und schon stand ich mitten im Fluss. Ich schaute mich um. Das Ufer, von dem ich gekommen war, war weit weg und das Ufer, das ich erreichen wollte, ebenfalls.
Der nächste Stein ragte in einem sehr ungünstigen Winkel aus dem Wasser heraus und mir war klar, dass er nicht leicht zu überqueren sein würde. Als ich daraufsteigen wollte, rutschte ich mit einem Fuß aus und wäre beinah ins Wasser gefallen. Ich richtete mich auf und versuchte, mein Gleichgewicht zu halten. Dann versuchte ich es noch einmal, rutschte jedoch erneut aus und hätte dieses Mal fast meine Büchertasche verloren.
Ich war total erschrocken und musste mich zwingen, nicht in Panik zu geraten. Ich wusste nicht, ob ich weitergehen oder lieber umkehren sollte. Das Wasser strömte rasch und laut um mich herum und ich fühlte mich wie gefangen. Es war beinah wie in meinem Traum in der Nacht, als Kristen starb.
Ich starrte hinunter in das klare Wasser des Flusses. Ich wusste, wie kalt es sein würde. Betäubend, atemberaubend, eisig kalt. Und schnell. Die Strömung würde mich packen und mit sich reißen, wenn ich hineinfiele.
Mir schoss ein Gedanke durch den Kopf und ich schaute auf den Stein, auf dem ich stand. Ob das derjenige war, auf den sie mit dem Kopf geschlagen war? Ob irgendwo in diesem Wasser noch Reste von
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