The Hollow
erstaunlich elegant zwischen den massigen Steinen hin und her.
Nachdem er fünf oder sechs Laubhaufen gemacht hatte, zog er einen kleinen Handfeger aus seiner hinteren Hosentasche und fegte damit über die Gräber. Er sagte kein Wort und tat so, als merkte er gar nicht, dass ich überhaupt da war. Ich wartete noch eine Minute, und als er sich hinkniete und anfing, das Unkraut um den schmiedeeisernen Zaun herum zu zupfen, ging ich zu ihm hin.
»Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen«, bot ich an.
Mit großen braunen Augen und tiefen Falten in den Augenwinkeln schaute er zu mir hoch. Er schien überrascht zu sein, dass ich ihm helfen wollte. »Ich danke dir für dein Angebot und nehme es gern an«, sagte er leise.
Ich sah ihn prüfend an. Meinte er es ernst? Die meisten alten Leute, die ich kannte, sprachen nicht so. Dann lächelte er und seine Augen funkelten verschmitzt. Ich konnte ihm ansehen, dass er genau wusste, was ich dachte.
Ich wurde rot, kniete mich hin und fing an, heftig an dem Unkraut zu zupfen; es war mir egal, ob meine Jeans Grasflecken bekamen. Ein paar Minuten lang arbeiteten wir schweigend Seite an Seite, bis er sich aufrichtete. Er hatte etwas in der Hand, das er mir hinhielt.
»Sieh mal, was wir gefunden haben.«
Ich starrte auf das grüne Blatt auf seiner narbigen, faltigen Handfläche. »Giftefeu?«, riet ich.
Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, viel besser.« Er riss das Blatt entzwei, steckte die eine Hälfte in den Mund und begann zu kauen.
Ich sah ihn an, als wäre er verrückt. Falls er Zuckungen bekäme oder Schaum vor dem Mund, würde ich auf der Stelle losrennen und Hilfe holen.
»Es ist Minze«, sagte er, lachte über meinen Gesichtsausdruck und hielt mir die andere Hälfte des Blattes hin. Vorsichtig nahm ich es und beobachtete ihn immer noch scharf. Ich hielt es mir vor die Nase, schnüffelte und war erstaunt, wie stark es duftete.
»Stimmt.« Ich schnüffelte noch einmal und zog mit jedem Atemzug den vertrauten Geruch tiefer ein. »Ich habe noch nie wild wachsende Minze gesehen. Bisher kannte ich sie nur in Flaschen.«
Er sah überrascht und gleichzeitig erfreut aus. »Wie schön! Man kann sie für so viele Dinge verwenden.«
Ich nickte. »Ich mische Pfefferminzöl mit anderen ätherischen Ölen, um Parfum daraus zu machen.« Es war seltsam, einem wildfremden Menschen etwas so Persönliches mitzuteilen, aber irgendwie war ich stolz darauf, dass ich wusste, was es war.
Er lächelte voller Begeisterung und beugte sich wieder über seine Arbeit. »Das ist eine sehr kreative Art, damit umzugehen.«
Als er schwieg, schaute ich zu ihm hinüber und sah diesen Fremden, mit dem ich arbeitete, zum ersten Mal wirklich an. Er trug einen staubigen blauen Overall, der offensichtlich schon mehrere Male geflickt worden war, und ein dazu passendes kurzärmliges Button-down-Hemd. Seine schwarzen Stiefel waren alt und abgetragen, sahen aber sehr bequem aus. Seine grauen Haare wehten sanft im Wind und er sah aus wie ein netter Großvater.
»Übrigens heiße ich Abbey«, sagte ich. »Eigentlich Abigail, aber Abbey mag ich lieber.«
»Mein Name ist Nikolas«, entgegnete er. »Ich freue mich, dich kennenzulernen, Abbey.«
Ich zupfte weiter Unkraut und zusammen brauchten wir nicht lange, bis wir um den Zaun herum fertig waren. Wir warfen das Unkraut auf den Laubhaufen. Ich wusste nicht recht, was ich als Nächstes tun sollte. »Also … äh … sind Sie ein Freund der Familie oder so was?«, fragte ich verlegen.
»So könnte man es nennen«, antwortete Nikolas.
»Sie wissen sicher, dass es einen Grabpfleger gibt, der für solche Dinge zuständig ist, oder? Er heißt John.«
Ich hatte John schon ein paar Mal getroffen, und obwohl er seine Arbeit sehr gut machte, war er nicht sonderlich umgänglich. Aber ich vermute, dass man ein spezieller Typ sein muss, wenn man immer nur in der Gesellschaft von Toten arbeitet. Bestimmt kein Job für jemanden, der gern mit Menschen zu tun hat.
Aus einer anderen Hosentasche zog Nikolas einen schwarzen Müllsack und stopfte das Unkraut und das Laub schneller hinein, als ich meine Hilfe anbieten konnte.
»Alte Gewohnheiten lassen sich schwer ablegen«, sagte er und knotete den Sack zusammen. »Ich bin selbst so etwas wie ein Grabpfleger.« Er lächelte mich an und in seinen Augenwinkeln bildeten sich Fältchen. »Danke für deine Hilfe, Abbey, und versuche, die guten Erinnerungen zu bewahren. Das hilft dir bei den schlechten.«
Ich sah ihm nach, als er
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