The Homelanders, Band 1: The Homelanders - Stunde Null (Bd. 1) (German Edition)
und Beth und alle anderen klatschten und jubelten. Ich muss zugeben, es war einer der coolsten Momente meines bisherigen Lebens.
8
D AS SCHWARZE Q UADRAT
Jetzt schien dieser Moment ein Leben lang zurückzuliegen, ein unvorstellbares Leben, das sich irgendwie in Luft aufgelöst hatte. Gerade noch war es aufgeblitzt, und genauso schnell war alles wieder verschwunden: Beth ebenso wie meine Freunde, meine Schule, Direktor Woodman und der Augenblick meines Ruhms. Alles, die ganze Welt, die ich kannte, die einzige Welt, die ich kannte, war weg. Und die einzigen Anhaltspunkte waren die Blocksteine in den Wänden dieses Gefängnisgangs. Da war nichts anderes, nichts, das für mich einen Sinn ergab. Außer dem Schmerz, der in meinem Körper tobte, den stampfenden Schritten der Wachen, die immer näher kamen, und dem schwarzen Quadrat der Hoffnung, auf das ich zurannte.
Während ich rannte, sagte ich mir immer wieder, dass es ein schwarz übermaltes Fenster war. Es musste ein Fenster sein. Was sonst?
Es war egal. Ich musste einfach glauben, dass es einen Ausweg gab, denn ich hatte keine andere Wahl. Die Schritte hinter mir wurden immer lauter, kamen immer näher. Jetzt konnte ich Rufe, Flüche und das tiefe Knurren einer Stimme hören, die Befehle gab: »Los, los, los, schnappt ihn euch, los, los, los!«
Ich rannte so schnell ich konnte auf das schwarze Quadrat zu, streckte die Beine, riss die Arme zurück und verdrängte die Schmerzen, die wie Feuer in meinem ganzen Körper brannten. Das schwarze Quadrat: In diesem Moment war es für mich das Gleiche wie der Ziegelstein in der Schule. Ich musste es nur mit meinem Geist durchstoßen, direkt bis zur anderen Seite. Dann würde mein Körper folgen. Zumindest hoffte ich das.
Das Quadrat wurde größer und größer, je näher ich kam. Aber ich konnte immer noch nicht sehen und immer noch nicht sicher sein, ob es ein Fenster war oder einfach nur schwarze Farbe auf dem Beton.
Ich war fast da, nur noch ein paar Schritte. Ich blickte über die Schulter zurück. Noch eine halbe Sekunde lang war der Gang leer – bis auf den massigen Leib von Dickwanst, der weiterhin bewusstlos am Boden lag.
Dann kamen die Wachen um die Ecke gerast. Ich konnte einen kurzen Blick auf die ersten beiden werfen – zwei dunkelhäutige Männer, die arabisch aussahen und genau wie ich schwarze Hosen und ein weißes Hemd trugen. Sie hatten diese Maschinengewehre, diese automatischen Waffen, die man immer im Fernsehen sieht, auch AK-47 oder Kalaschnikows genannt. Die Wachen hielten sie in der Hand und hatten den Gurt um die Schulter gelegt. Als sie mich entdeckten, ließen sich die ersten beiden auf die Knie fallen und brachten ihre Gewehre in Anschlag. Hinter ihnen waren inzwischen zwei weitere Männer um die Ecke gekommen. Auch sie hoben ihre Gewehre und zielten über die Köpfe der anderen beiden hinweg.
Jetzt waren vier Gewehre auf mich gerichtet.
Mir blieb keine Zeit, sie noch länger zu beobachten. Ich schaute nach vorn. Das schwarze Quadrat war nur noch einen halben Schritt entfernt. Den Kopf voran, stürzte ich mit voller Wucht darauf zu.
Als die Wachen das Feuer eröffneten, durchfuhr mich blanke Angst. Das abgehackte Stottern der Kalaschnikows schien alles zu ersticken. Jede Hoffnung auf Überleben, jeden Gedanken an etwas anderes als den Tod. Überall flogen Betonsplitter durch die Luft. Mein Herz krampfte sich zusammen bei dem durchdringenden Pfeifen der Querschläger. Und dann zerbrach ein Stück des schwarzen Quadrats – ein Stück Glasscheibe. Es war also doch ein Fenster! Im nächsten Augenblick prallte mein Körper gegen das Glas. Ich hatte die Arme vor dem Gesicht verschränkt und den Kopf abgewandt. Meine Schulter traf das schwarze Quadrat und krachte mit Gewalt gegen den Rahmen, der knackte und nachgab.
Es war ein einziges langes Taumeln aus Angst und pfeifenden Patronen, dem Stottern der Kalaschnikows und dem Bersten von Holz und Glas.
Dann schlug ich hart auf den Boden. Ich spürte den Aufprall in allen Knochen. Glas und Holz regneten auf mich nieder, Kugeln zischten über meinen Kopf hinweg.
Nach der Dunkelheit des Gangs blendete mich das grelle Sonnenlicht. Die Luft war kühl und frisch und füllte meine keuchende Lunge. Entgegen aller Vernunft durchströmte mich Hoffnung und eine verrückte Freude. Ich war draußen, raus aus dem Gefängnis, im Freien!
Aber es blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich rollte von dem Fenster weg und kämpfte mich mühsam auf die Knie.
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