The Homelanders, Band 1: The Homelanders - Stunde Null (Bd. 1) (German Edition)
tiefer und tiefer in die schützenden Schatten des Waldes vor.
Ich rannte meinen Schmerzen davon.
Ich rannte um mein Leben.
Gib niemals auf.
11
D ER W ALD
Ich weiß nicht, wie lange ich so lief, aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Der Wald wurde immer dichter und dunkler, je tiefer die Sonne sank. Angestrengt kniff ich die Augen zusammen und suchte nach Zeichen der Zivilisation. Einem Haus, einer Hütte, einer Rangerstation – nach irgendwas. Aber so weit ich sehen konnte, gab es nur Wald. Ein endloses, undurchdringliches Muster aus Kletterpflanzen und Ästen, massiven Baumstämmen und niedrigen Büschen.
Eine Weile folgte ich dem Pfad. Er war breit und eben und glich eher einer Feuerschneise als einem Wanderweg. Ich kam schnell voran und konnte auf diese Art den Abstand zu den Wachen vergrößern. Hier zwischen den Bäumen waren ihre Waffen für Distanzschüsse nutzlos. Sie konnten mich unmöglich sehen, geschweige denn auf mich schießen. Also mussten sie mich zuerst einholen, was ihnen vielleicht gelingen konnte, wenn sie mit einem Fahrzeug in den Wald eindringen würden. Aber wenn ich recht hatte, was diesen Pick-up betraf, wenn er wirklich das einzige Fahrzeug auf dem Gelände war, oder selbst wenn sie zum Gelände zurückkehren mussten, um einen anderen Wagen zu holen, hatte ich genug Zeit, Boden gutzumachen, bevor sie aufschließen konnten.
Also rannte ich so schnell ich konnte weiter den Pfad entlang und drang immer tiefer in den Wald vor. Aber es war anstrengend, sehr anstrengend, denn ich fühlte mich wacklig und angeschlagen. Schon bald spürte ich, wie meine Beine schwächer wurden und meine Lunge anfing zu streiken. Ganz abgesehen davon musste ich dringend etwas trinken. Ich hatte keine Ahnung, wie lange es her war, seit ich zum letzten Mal etwas getrunken hatte. Mein Bedürfnis nach Flüssigkeit tat geradezu weh. Nicht nur in meinem staubigen Mund und meiner vertrockneten Kehle. Es machte sich auch durch die Benommenheit bemerkbar, die wie Nebel in mein Gehirn eindrang, und durch die Schwäche, die aus meiner Körpermitte in meine Gliedmaßen ausstrahlte.
Irgendwann taumelte ich nur noch. Der Pfad war mir jetzt kaum noch von Nutzen – ich kam ohnehin nicht mehr schnell voran. Also verließ ich ihn und tauchte in die Tiefe der Büsche und Bäume ein. Hier war es nicht möglich zu rennen, zumindest nicht lange. Nach ein paar Schritten wurde das Unterholz so dicht, dass ich es mit den Händen wegreißen musste, um überhaupt vorwärtszukommen. Ein Vorteil war jedoch, dass ich den Pfad hinter mir schon bald nicht mehr sehen konnte – und wohl auch nicht mehr zu sehen war. Selbst wenn die Wachen mich einholten, würden sie wahrscheinlich an mir vorbeilaufen.
Bis hierhin war der Weg schon schwierig gewesen, jetzt wurde er noch beschwerlicher, denn ich musste mich durch Gestrüpp und Kletterpflanzen kämpfen. Da ich nicht mehr rannte, schien sich der Schmerz, dieser stachlige Folteranzug, wieder um meinen Körper zu legen. Alles brannte, alles tat weh. Äste zerkratzten mir Gesicht und Arme, Kletterpflanzen und Büsche schlangen sich wie lange Finger um meine Beine und versuchten, mich zu packen. Ich riss mich los, trieb mich selbst an. Mit jedem Schritt wurde mein Durst schlimmer, und mir wurde immer schwindliger. Langsam dehnte sich das Gefühl der Schwäche in meinem Inneren auch auf meine Arme und Beine aus.
Dann lag ich plötzlich auf dem Boden. Ich konnte mich gar nicht erinnern, dass ich hingefallen war. Mit einem Mal lag ich da, das Gesicht im Dreck, die Hälfte meines Körpers in einem Gewirr aus dornigem Unterholz verheddert. Keuchend und halb bewusstlos lauschte ich nach Stimmen, Schritten, Schüssen, um zu hören, ob die Wachen näher kamen. Aber da war nur das Rasseln meines eigenen Atems und das rhythmische Hämmern meines Pulses an den Schläfen.
Es dauerte lange, bis ich aufhörte, zu keuchen, und noch länger, bis mein Atem und mein Herzschlag langsamer wurden. Während ich auf dem Boden lag und horchte, ob die Wachen bereits in der Nähe waren, drangen andere Geräusche an mein Ohr. Die Geräusche des Waldes. Sie schienen plötzlich um mich herum aufzusteigen, aber ich wusste, dass sie die ganze Zeit da gewesen waren, ich hatte sie nur nicht bemerkt. Es war ein stetiger Klangteppich aus Vogelgezwitscher. Vögel in den Baumkronen, die einander etwas zuriefen, das Zirpen von Grillen und der an- und abschwellende Gesang von Zikaden. Bienen summten, Zweige und abgestorbene
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