The Homelanders, Band 1: The Homelanders - Stunde Null (Bd. 1) (German Edition)
Oktoberhimmel mit dem Grün der Nadelbäume. Ich starrte hinaus, aber ich sah die Wälder kaum. Ich war ganz darauf konzentriert, meine Handschellen zu öffnen und zu schließen.
Du bist ein besserer Mensch, als du denkst. Finde Waterman.
Waterman. Wer war das? Wie konnte ich ihn finden? War auch er ein Teil meines Lebens, der verschwunden war? Und war dieser Teil für immer verschwunden, oder gab es da vielleicht noch die Spur einer Erinnerung, einen Hinweis, den ich übersah?
Wieder ging ich wie besessen die Ereignisse des gestrigen Tages durch und versuchte, ein noch frisches Detail heraufzubeschwören. Die Folterkammer, die Gesichter meiner Peiniger, die Stimmen, die ich vor der Tür gehört hatte.
… Homelander eins.
… wir bekommen nie wieder eine solche Gelegenheit, auf Yarrow zu schießen.
… noch zwei Tage.
… wir können Orton schicken … kennt die Brücke genauso gut wie West.
Da war noch mehr. Da waren Namen. Die Stimmen nannten Namen. Ich strengte mich an, wollte sie zurückzwingen in mein Gedächtnis, aber es war vergeblich. Ich erinnerte mich nur an diese eine Stimme, die gesagt hatte: Was auch immer die Wahrheit sein mag, der kleine West nutzt uns jetzt nichts mehr. Tötet ihn!
Ich stieß einen frustrierten Seufzer aus. In meinem Kopf wirbelte alles durcheinander: Die Dinge, an die ich mich erinnerte. Die Dinge, an die ich nicht herankam. Es war ein einziges sinnloses Durcheinander von halb verstandenen Wörtern und Bildern. Was wusste ich? Was sollte ich glauben? Was sollte ich jetzt tun?
Finde Waterman.
Vorsichtig öffnete und schloss ich wieder die Handschellen. Und dann hatte ich die Antwort: Ich sollte fliehen! Natürlich, das musste es sein. Das musste der Mann gemeint haben, als er mir diese Worte ins Ohr flüsterte.
Du bist ein besserer Mensch, als du denkst.
Er musste versucht haben, mir zu sagen, ich sei kein Krimineller. Ich sollte versuchen, zu entkommen und »Waterman« finden, wer auch immer das war. Was auch immer das war.
Ich sah mich auf dem Rücksitz des Polizeiwagens um. Er war nicht mehr als eine mobile Zelle. An den Türen gab es keine Griffe, keine Schlösser, die ich öffnen konnte. Selbst wenn ich hier drinnen die Handschellen abstreifte, gäbe es keine Möglichkeit, aus dem Wagen herauszukommen. Ich würde auf eine Gelegenheit warten und so tun müssen, als seien die Handschellen verschlossen, bis der richtige Augenblick kam. Und was dann? Sobald ich den Wagen verließ, würde ich von Polizisten umzingelt sein. Mit Handschellen oder ohne, es würde mir nie gelingen, zu entkommen …
Ich schüttelte den Kopf. Zu viele Gedanken, zu viele Fragen. Ich war kurz davor, durchzudrehen, aber ich musste mich beruhigen. Ich musste nachdenken, mir einen Plan überlegen.
Diese bleierne Traurigkeit, die ich in der Zelle gefühlt hatte, diese Passivität und die Verzweiflung waren plötzlich verschwunden. Ich hatte wieder Hoffnung, dachte wieder nach und versuchte, die Situation unter Kontrolle zu bringen, einen Ausweg zu finden.
Ich erinnerte mich daran, wie ich in meiner Zelle um Hilfe gebetet und geglaubt hatte, es sei vergebens. Ich hatte mich geirrt.
Jetzt hatte ich eine Chance. Ich musste nur herausfinden, wie ich sie nutzen konnte.
»Hey, Detective Rose«, sagte ich.
Detective Rose drehte sich kaum zu mir und knurrte nur.
»Fahren wir direkt zum Gefängnis?«
Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. Ich spürte, dass er darauf keine Antwort geben und am liebsten überhaupt nicht mit mir sprechen wollte. Schließlich sagte er mit grummeliger, leiser Stimme: »Nein. Nach Winchester. Die Justizvollzugsbehörde schickt morgen früh einen Gefangenentransporter, der dich zum Gefängnis bringen wird.«
»Winchester. Wie weit ist das?«, fragte ich.
Detective Rose schnaubte. »Was kümmert es dich? Du hast es ja wohl nicht eilig, du hast alle Zeit der Welt.«
Der Fahrer lachte laut. »25 Jahre, mindestens.«
»Stimmt«, sagte ich. »Ich habe mich nur gefragt, wie lange die Fahrt wohl dauert, wissen Sie.«
Detective Rose zuckte mit den Schultern. »Nicht lange. Wir sind bald da. Und jetzt halt den Mund, ich kann nicht hören, was im Radio läuft.«
»Das Radio ist nicht eingeschaltet.«
Er schaltete das Radio ein. Ganz leise ertönte Country Music, die ich hinten auf dem Rücksitz kaum hören konnte.
Ich lehnte mich zurück und dachte nach. Wenn ich versuchen wollte zu fliehen, musste ich es tun, bevor sie mich in eine andere Zelle brachten. Sobald wir in
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