The Homelanders, Band 2: The Homelanders - Auf der Flucht (Bd. 2) (German Edition)
boxte, damit er endlich den Mund hielt.
Den Rest der Nacht verbrachten wir überwiegend damit, uns kaputtzulachen, bis wir keine Luft mehr bekamen. Und wenn wir dann wieder welche bekamen, lachten wir weiter. Obendrein gab die Geschichte von Milers Streich einen so tollen Bericht für die Hausarbeit ab, dass Mr Sherman gar nicht anders konnte, als uns die Eins zu geben, auf die wir aus waren. Und das wiederum reduzierte die Strafe meiner Eltern von zwei Wochen Hausarrest auf einen Samstag, an dem ich die Garage aufräumen musste.
Das alles war noch gar nicht so lange her, vielleicht eineinhalb Jahre. Aber mir kam es vor wie ein vollkommen anderes Leben.
Jetzt war ich also zu der alten McKenzie-Villa zurückgekehrt. Ich hatte kaum eine andere Wahl. Ich musste meinen Namen reinwaschen, musste verhindern, dass die Polizei mich fand, und durfte nicht zulassen, dass meine Freunde in die Sache verwickelt wurden, womöglich in Gefahr gerieten. Die Geistervilla war der einzige Ort, der mir einfiel, an dem ich mich so lange verstecken konnte, bis ich alles erledigt hatte. Hier kam nie jemand her, und es kam auch nie jemand vorbei. Also würde niemand Anlass zu der Vermutung haben, dass ich mich hier aufhalten könnte.
Das Eisentor, das den Zugang versperrte, war mit einer Kette gesichert, die jedoch nur lose durch die Gitterstäbe geschlungenwar. Als ich dagegendrückte, glitt sie nach unten und blieb zwischen den Stäben hängen. Ich öffnete das Tor gerade so weit, dass ich mich hindurchquetschen konnte.
Dann ging ich den Weg zur Geistervilla hinauf.
Es war dunkel und kalt, als der Tag anbrach. Der Halbmond, der in der Nacht durch die Kirchenfenster geschienen hatte, stand jetzt tief am Himmel und würde bald hinter den Bäumen in der Ferne versinken. Die letzte Dunkelheit der Nacht hüllte mich ein. Ich besaß eine kleine Taschenlampe – der Schlüsselanhänger an einer Kette. Ich holte sie aus der Hosentasche und drückte hin und wieder auf den Knopf, um einen dünnen weißen Lichtstrahl auf den Weg zu richten.
Er war nicht sehr hell, aber hell genug.
Inzwischen waren auch die letzten Reste des aufgeplatzten Asphalts verschwunden. Dreck und Steine knirschten unter den Sohlen meiner Turnschuhe, als der Weg in ein kleines Tal abfiel und dann wieder anstieg. Ich kletterte über den Kamm des Hügels und sah dann das Haus. Endlich!
Es hatte sich kein bisschen verändert, ragte noch immer bedrohlich, verfallen und düster über der Anhöhe auf. Und noch immer starrte es durch seine zerbrochenen Fenster hinaus in die Dunkelheit, als würde es auf Opfer warten. Der Wind der Morgendämmerung blies über die umliegenden Felder, bewegte die Bäume und das ungemähte Gras, und der Ort wirkte fast wie ein rastlos murmelndes, lebendiges Wesen.
Es war alles genau so, wie ich es in Erinnerung hatte.
Das Haus mochte sich nicht verändert haben, aber ich hatte mich verändert, und zwar sehr. Als ich das letzte Mal hier gewesen war, war ich nur ein Junge gewesen, der harmlosen Unfug getrieben hatte. Damals hatte ich Angst vor Geistern, dasGeräusch der Mäuse in den Wänden hatte mich zusammenfahren und zittern lassen, eine reglose Statue auf einem Friedhof hatte mich zu Tode erschreckt.
Jetzt war ich älter – ein junger Mann sozusagen. Auch wenn ich ein Jahr meines Lebens als Heranwachsender verloren hatte oder mich zumindest nicht daran erinnern konnte – herangewachsen war ich trotzdem. Ich hatte immer noch Angst. Ich hatte ständig Angst, aber inzwischen vor anderen, realen Dingen. Nicht vor Geistern, sondern vor Menschen. Vor bösen Menschen, die nicht glaubten, dass wir die Freiheit haben sollten, zu denken und zu sagen, was wir wollten. Und so zu leben, wie wir es für richtig hielten. Sie hassten Amerika, weil man dort genau diese Freiheiten hat. Sie wollten unserem Land schaden, und sie wollten mir schaden. Ich hatte Angst vor ihnen, den Bösen. Aber ich hatte auch Angst vor den Guten, der Polizei, weil man mich für die nächsten 25 Jahre ins Gefängnis stecken wollte.
Ich hatte Angst, dass man mich fassen würde, bevor ich die Wahrheit herausfand.
Mit gemischten Gefühlen ging ich Richtung Geistervilla. Die Ruine ragte vor dem tiefblauen Himmel zwischen den schemenhaften Bäumen auf, und es kam mir so vor, als würde sie mich anschauen. Ja, ich muss zugeben, dass ich noch immer dieses Schaudern spürte, wie beim letzten Mal, als ich hier gewesen war. So als warte hinter diesen schwarzen, starrenden Fenstern
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