The Homelanders, Band 2: The Homelanders - Auf der Flucht (Bd. 2) (German Edition)
weiß nicht, ob es meine Schuld ist oder nicht.«
»Nein, ist es nicht.«
»Vielleicht … aber es tut mir trotzdem leid. Es tut mir leid, dass ich nicht hier sein kann, damit … du dir keine Sorgen zu machen brauchst, damit es dir besser geht, verstehst du? Und weißt du, was mir am allermeisten leidtut?«
Sie schüttelte den Kopf, kämpfte mit den Tränen.
»Es tut mir leid, dass ich mich nicht erinnern kann. An uns, meine ich …«
»Mir auch. Sehr sogar«, brachte sie heraus und nickte.
»Ich versuche es immer wieder. Es ist echt frustrierend. Manchmal ist es so, als ob … alles noch da ist, in meinem Kopf,aber ich komme nicht dran. Als ob dir ein Wort nicht einfällt oder der Titel von einem Song, obwohl es dir auf der Zunge liegt. So fühlt es sich an. Und manchmal … manchmal träume ich, weißt du? Ich träume von dir und mir. Nur du und ich, wie wir irgendwo spazieren gehen, uns unterhalten oder so. Aber dann wache ich auf … und ich weiß nicht, ob ich mich an etwas erinnert habe, was wirklich passiert ist, oder ob es nur ein Traum war.«
»Das klingt wirklich frustrierend.«
»Ja, ist es auch.«
Mit Beth zu reden, war wirklich einmalig. Die Art, wie sie mir zuhörte, gab mir das Gefühl, der einzige Mensch auf der Welt zu sein, das Einzige, wofür sie sich wirklich interessierte und was ihr wichtig war. Ich wollte mich nicht zu sehr beklagen, und vor allem wollte ich nichts sagen, was ihr noch mehr Sorgen bereitete. Aber es tat unglaublich gut, mit ihr darüber zu sprechen und ihr von alldem zu erzählen, was ich wochenlang in mir verborgen hatte.
»Das ist mit vielen Dingen so«, fuhr ich fort. »All die Dinge, an die ich mich nicht erinnern kann … Ein ganzes Jahr ist einfach weg! Nicht nur du und ich, sondern auch … wie ich verhaftet wurde, meine Gerichtsverhandlung, ich kann mich nicht mal erinnern …« Die Worte blieben mir im Hals stecken.
Beth berührte sanft meine Hand. »Was, Charlie?«
»Ich kann mich nicht mal erinnern, ob ich schuldig bin oder nicht.«
»Wie meinst du das?«
»Alex. Ich weiß nicht, ob ich ihn umgebracht habe.«
»Oh, Charlie.« Sie schloss ihre Hand fest um meine. »Natürlich nicht. Das weiß ich. Wir alle wissen es.«
Mann, es war verdammt schwer, in diesem Moment nicht zu heulen. Eher hätten die Homelanders ins Zimmer stürmen und mich auf der Stelle erschießen können, als dass ich vor Beth geheult hätte. Aber ich konnte die Tränen nur mühsam unterdrücken. Lange brachte ich kein Wort heraus.
Dann zwang ich mich, weiterzusprechen: »Die Polizei … Die Geschworenen … Alle glauben, dass ich es getan habe.«
»Ja, aber sie irren sich, das ist alles. Sie haben einen schrecklichen Fehler begangen. Ich bin sicher, dass sie das nicht wollten. Sie haben versucht, die richtige Entscheidung zu treffen, aber irgendwie ist dann alles durcheinandergeraten.«
»Und dann sind da diese Leute. Terroristen. Sie denken, ich sei einer von ihnen.«
»Oh, Charlie, du musst doch wissen, dass sie alle unrecht haben.«
»Ich möchte ja. Ich möchte es wissen, Beth. Bitte hilf mir, ich möchte es mehr als alles andere. Verstehst du, ich sage ja gar nicht, dass ich jemand Besonderes bin oder Superman oder so, aber … Ich habe immer geglaubt, ich sei ganz in Ordnung, verstehst du? Ich dachte, ich wäre anständig …«
»Aber das bist du! Natürlich. Du bist mehr als das.«
»Warum sagen dann alle …?« Ich führte das letzte Sandwich zum Mund, konnte aber nicht abbeißen. Meine Kehle war wie zugeschnürt, ich bekam nichts herunter. »Ich versuche ja, es zu begreifen, aber es gelingt mir nicht. Es ergibt einfach keinen Sinn. Wenn ich wirklich unschuldig bin, warum sagen dann alle, ich sei schuldig? Wenn ich mich bloß erinnern könnte, was passiert ist …«
»Das wirst du. Du musst es einfach weiter versuchen. Ich bin sicher, dass es dir irgendwann gelingen wird.«
Ich legte das Sandwich weg, griff nach meiner Jacke und holte die Kopien heraus, die ich in der Bibliothek gemacht hatte. »Deshalb bin ich zurückgekommen. Ich wollte sehen, ob ich alles zusammenfügen und die Wahrheit herausfinden kann. Denn wenn ich Alex nicht umgebracht habe, dann muss es jemand anders getan haben, nicht wahr? In der Zeitung steht, dass es jemand war, den er kannte und der ihm vertraut war. Wenn ich es nicht war, wer dann?«
Sie nahm mir die Blätter aus der Hand und sah sie schweigend durch. Dabei traten ihr wieder Tränen in die Augen. Eine Träne lief ihr über die Wange.
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