The Homelanders, Band 2: The Homelanders - Auf der Flucht (Bd. 2) (German Edition)
war wirklich gerührt, dass sie daran gedacht hatte, mir etwas mitzubringen. »Ich habe eigentlich immer Hunger.«
Sie ging zu ihrer Tasche und kniete sich davor. Dann holte sie eine karierte Decke heraus und reichte sie mir. »Damit du nicht in all diesem Staub sitzen musst.«
»Gut.«
Ich breitete die Decke auf dem Boden aus. Währenddessen griff sie wieder in ihre große Tasche und holte Sandwiches,Äpfel und Weintrauben heraus, alles ordentlich in Plastikbeutel verpackt, sowie ein paar Flaschen Wasser.
Wir setzten uns zusammen auf die Decke. Beim Anblick der Sandwiches lief mir das Wasser im Mund zusammen. Seit Tagen hatte ich nichts Anständiges mehr gegessen, nur Zeug aus irgendwelchen Snackautomaten.
Ich schlug die Zähne in das erste Sandwich – Hähnchen und Käse mit Mayo – und war froh, etwas zu tun zu haben. Froh, dass ich mich mit etwas beschäftigen konnte und nicht mehr darüber nachdenken musste, was ich als Nächstes sagen sollte. Der Geschmack, diese Frische – beides war ein ziemlicher Schock nach all den Wochen, in denen ich nur gegessen hatte, was ich gerade finden konnte. Das Sandwich schien förmlich in meinem Mund zu explodieren, ich war ganz erfüllt von dem Geschmack.
»Gut«, sagte ich mit vollem Mund. »Echt gut.«
Sie lächelte, saß da und sah mir beim Essen zu. Sie schien mein Gesicht regelrecht zu studieren. Als ich sie verstohlen anblickte, funkelten ihre Augen im Licht, das durch das Fenster fiel. Es war ein komisches Gefühl, so von ihr angeschaut zu werden – als hätte sie lange darauf gewartet, mich zu sehen, und könnte jetzt, wo ich da war, die Augen nicht von mir lassen. Ein gutes Gefühl. Ich musste aufpassen, dass ich kein dämliches Grinsen aufsetzte, und versuchte, es zu unterdrücken. Aber es kam immer wieder. Schließlich verbarg ich es, indem ich erneut in mein Sandwich biss.
»War es schlimm?«, fragte sie schließlich.
»Was?«
»Na ja, die ganze Zeit wegrennen zu müssen … das stelle ich mir schlimm vor.«
Ich zuckte mit den Schultern. Es war lange her, dass mir jemand eine solche Frage gestellt hatte, die Frage, wie es mir ging. Früher hatte ich so was jeden Tag, praktisch jede Stunde gehört. Ich war aufgewacht, und meine Mom hatte gefragt: »Wie hast du geschlafen?« Ich war in die Schule gegangen, und meine Freunde hatten gefragt: »Wie geht’s?« Abends beim Essen hatte mein Dad gefragt: »Na, wie war’s in der Schule?« Manchmal konnte das echt nervig sein, und ich wunderte mich, warum mir jeder andauernd diese Fragen stellen musste.
Aber wenn es aufhört, wenn niemand mehr fragt und sich dafür interessiert, wie dein Tag war, wie du geschlafen hast oder wie es so läuft, dann vermisst du es. Sehr sogar.
Als Beth mich jetzt fragte, hätte ich ihr am liebsten alles erzählt. Was für ein Gefühl es war, wenn plötzlich alles, was dir etwas bedeutet und was du liebst, verschwunden ist. Wie es war, gejagt zu werden, Tag und Nacht auf der Flucht zu sein, ohne ein Zuhause. Ich wollte ihr sagen, wie es war, wenn die Welt dich für einen schlechten Menschen hält und du dich manchmal selbst fragst, ob es vielleicht stimmt.
All das wollte ich ihr erklären, doch ich fand nicht die richtigen Worte.
»Ich weiß nicht«, sagte ich schließlich. »Es ist manchmal ganz schön einsam.«
Sie nickte. »Ja, das glaube ich. Und man hat bestimmt Angst.«
Wieder zuckte ich mit den Schultern. Natürlich, ich hatte Angst. Ständig. Jede Minute. Aber das wollte ich ihr nicht sagen. »Ich denke schon«, sagte ich deshalb. »Manchmal habe ich Angst.«
»Ich hätte Angst, ich hätte ständig Angst«, entgegnete sie. »Ich habe ständig Angst.«
»Du? Warum hast du Angst?«
»Ich habe Angst um dich, Charlie«, antwortete sie in einem Tonfall, als sei das eine ziemlich dumme Frage gewesen. »Verstehst du? Ich versuche, nicht daran zu denken, aber es gelingt mir nicht. Ich denke an dich und daran, dass du ganz allein irgendwo da draußen bist und von der Polizei verfolgt wirst, und ich mache mir solche Sorgen, dass ich …« Ihre Augen begannen zu glänzen, und sie sprach nicht weiter.
Ich suchte nach den richtigen Worten. »Hab keine Angst«, war alles, was mir schließlich einfiel. »Ich bin doch hier, nicht wahr? Es geht mir gut.«
»Ich weiß«, sagte sie heiser und versuchte, zu lächeln. »Ich weiß.«
»Es tut mir leid, Beth. Es tut mir leid, dass du dir solche Sorgen machen musst.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nicht deine Schuld.«
»Ich
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