The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
sich alles verändert. Ich war nicht mehr im Wald, sondern stand auf festgetretenem Lehmboden. Um mich herum sah ich verzerrte Gesichter, die Münder waren zu lauten Schreien aufgerissen.
Ortons wütendes Gesicht tauchte vor mir auf.
Wir kämpften miteinander. Eine weitere Übung. Dieses Mal ging es um Selbstverteidigung. Aber es war nicht wiedie Trainingskämpfe im Dojo. Dort brachte Sensei Mike seinen Schülern bei, dass sie Teamkameraden waren. Selbst wenn wir gegeneinander kämpften, versuchten wir nicht, einander zu verletzen, sondern dafür zu sorgen, dass wir selbst und der andere besser wurden. Aber hier, auf dem Übungsgelände der Homelanders, pochte mein Gesicht vor Schmerz und zeigte mir, dass Orton sich nicht zurückhielt. Er war ein ausgebildeter Kampfsportler, genau wie ich. Aber ihm ging es nicht darum, dass ich besser wurde. Er versuchte einzig und allein, mich zu Fall zu bringen.
Die ganze Szene kam jetzt wieder, seltsam doppelt – wie alles, woran ich mich bei diesen Attacken erinnerte. Orton hasste mich. Bislang hatte er bei den Rekruten der Homelanders das Sagen gehabt. Jetzt war er eifersüchtig auf meinen Erfolg. Er wollte mich dafür bestrafen und beweisen, dass er noch immer der Beste war.
Wieder kam er auf mich zu, starrte mich durchdringend an. Seine Gesichtszüge waren angespannt, sein Mund vor Zorn verzerrt. Er wollte Rache. Die Männer, die um uns herumstanden, feuerten ihn lautstark an. Ihre Zähne waren gebleckt und ihre Augen funkelten wild.
Ohne jegliche Vorwarnung holte Orton zu einem Sicheltritt aus, und seine Fußkante schnellte auf meine Schläfe zu. Im letzten Moment schaffte ich es, mich zu ducken. Sein Turnschuh sauste über mich hinweg, aber Orton nutzte die Geschwindigkeit des Tritts und drehte sich wie ein Kreisel um die eigene Achse. Dann verpasste er mir einen Handkantenschlag an den Hals.
Ich riss den Ellbogen hoch und schwächte den Schlag ein wenig ab, aber dabei geriet ich aus dem Gleichgewicht,wankte zur Seite und fiel. Begleitet von den blutrünstigen Rufen der Umstehenden, rollte ich auf den Rücken und Orton stürzte sich auf mich. Reflexartig streckte ich die Füße nach oben, trat ihm in den Bauch und machte eine Rolle rückwärts, während Orton noch durch die Luft flog.
Ich rappelte mich hoch, als er auf dem Boden landete. Staub wirbelte um ihn herum auf, und die Luft entwich mit einem lauten Ächzen aus seinen Lungen, als ich schon wieder angriff. Er rollte sich auf die Seite und war auf den Füßen, noch bevor ich ihn erreicht hatte.
Die Zuschauer bewegten sich mit uns, sodass wir genügend Platz zum Kämpfen hatten, während sie uns mit geballten Fäusten und lauten Rufen anfeuerten.
Orton und ich umkreisten einander. Er war ein guter Kämpfer, zäh und schnell, und das zornige Funkeln in seinen Augen verriet mir, dass er entschlossen war, nie mehr gegen mich zu verlieren.
Ich war außer Atem und benommen von dem Schlag ins Gesicht. Alles tat mir weh und ich wusste nicht, ob ich noch einen weiteren Angriff überstehen würde.
Bevor Orton wieder zuschlagen konnte, trat zum Glück Waylon zwischen uns. Bei Tageslicht war er sogar noch furchteinflößender. Groß und skrupellos, die Augen über den Tränensäcken voller Bosheit.
»In Ordnung«, blaffte er mit seinem kehligen Akzent. »Das reicht.«
Ich entspannte mich und seufzte erleichtert. Es hatte ziemlich übel für mich ausgesehen, und bei einem weiteren Angriff hätte Orton mich vermutlich fertiggemacht.
»Gut gemacht«, beschied Waylon ihm.
Dann trat er mich in die Brust.
Es war ein harter, perfekt platzierter Tritt, der mich direkt über dem Herzen traf. Ich flog nach hinten und landete hustend und keuchend auf dem Boden.
Waylon drehte sich um und schaute auf mich herunter. »Du musst kämpfen, als wäre es ernst. Du bist nicht mehr im Dojo in der Mall. Wenn du hier verlierst, dann stirbst du. Du musst kämpfen, um zu töten.«
Ich wollte wieder aufstehen, aber dann …
… war es, als würde jemand ein riesengroßes Glas pechschwarze Tinte über uns gießen. Dunkelheit rann herab und das Übungsgelände verschwand …
Plötzlich befand ich mich in einem stillen, stockfinsteren Flur. Noch bevor ich ganz begriff, wo ich war, spürte ich, dass ich in schrecklicher Gefahr schwebte. Wenn mich irgendjemand hier fand, würde ich auf der Stelle getötet werden.
Ich presste mich dicht an die Wand. Weiter vorn war ein Durchgang, ein Rechteck aus mondbeschienener Nacht im Dunkel des Raums.
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