The Hood
darunterzuhalten, zu sehen, wie es sich zu verflüssigen begann, zu einem Kügelchen verschmolz, die Farbe von Coca-Cola annahm. Wenn zu viel Mannitol untergemischt ist, wird es rötlich braun und macht dich nicht high. Rot bedeutet, der Dealer hat dich beschissen. Er hat dich gefickt. Du hast im Grunde nichts als Scheiße gekauft. Manche Leute kaufen Mannitol und kriegen einen Flash, aber das ist dumm. Manchmal ist es nicht besonders rein und es kann zu stark mit Backpulver verschnitten sein. Am Anfang ist es rein, unverfälscht, und dann bearbeiten die Dealer den Stoff. Sie mischen Mannitol unter, damit es sich verflüssigt, denn andernfalls würde reines Heroin da auf dem sechs mal sechs Zentimeter großen Stück Alufolie liegen und einfach verbrutzeln.
Er griff in die linke Tasche nach einem Streichholz. Keine Streichhölzer da.
Freunde von Jas sind an einer Überdosis gestorben. Oder sie nahmen an einem Programm teil, um vom Smack loszukommen. Sie nehmen Naltrexon, das die Opiatrezeptoren blockiert. Aber mit zwölf Tabletten pro Schachtel, wer soll die bis zum Schluss nehmen? Methadon bringt auch nichts. Der Staat würde gern alle Junkies auf Methadon parken, weil es so billig ist. Hitler hat das Zeug erfunden, damit er seine Soldaten zum Selbstmord in die Schlacht schicken konnte.
»Hast du ein Streichholz?«, fragte er Kam.
Nirgendwo in Großbritannien kann man billiger erstklassige Drogen kaufen als in Southall. Freunde sind ihm weggestorben, weil das Heroin in Southall zu stark ist. Er braucht lediglich 10 Pfund, um ein 0,3-Gramm-Briefchen Brown oder Brandy zu kaufen. 0,6 Gramm kosten 20 Pfund, aber man kann beschissen werden und erhält eigentlich nur 0,4 Gramm. Man kann auch »eins von jedem« nehmen, eine gemischte Tüte mit Whisky und Brandy, Crack und Smack für 20 Pfund. Crack für 10 Pfund ist genug für zwei oder drei Pfeifen. Damit erhält man einen kurzen 15-Minuten-Flash, und anschließend raucht man für den Rest des Tages das Heroin zum Runterkommen.
»Da, neben deinem Fuß«, sagte Kam. »Siehst du’s?« Sein Knie senkte sich eine Idee, und die Folie segelte zu Boden. Er ließ die Hand zu spät vorschnellen, griff in die Luft, während das Pulver in einer feinen Staubwolke verschwand. Für einen Junkie ist es dasselbe, wie sich aus seiner Wohnung auszusperren. Saublöd. Er warf den Kopf zurück und stieß einen erstickten Verzweiflungsschrei aus. Und jetzt waren vierundzwanzig Stunden vergangen, ohne irgendwas im System. Kam war wieder ruhig. Jetzt könnte der ideale Moment zum Handeln gekommen sein.
»Kam?«, fragt er prüfend. Er hört Kams leises Schnarchen. Er schiebt sich vorsichtig neben ihn, um sich zu vergewissern, dass er weggetreten ist. Um wirklich sicherzugehen, schnipst er mit den Fingern vor Kams Gesicht. Dann schiebt er ganz vorsichtig eine Hand in die Öffnung des Schlafsacks und tastet sich auf der Suche nach dem Mobiltelefon in dessen Tiefen vor. Er vermutet, dass Kam es sich zwischen die Oberschenkel geschoben hat. Sein Arm gleitet bis zum Ellbogen hinein, und seine Hand wandert über Kams Bauch, wobei er vorsichtig klopft, um das harte Gehäuse zu finden.
Kam grunzt und dreht sich um.
Jas dreht sich mit ihm, dann zieht er seinen Arm wieder heraus und legt sich hin. Wenn man jemanden zu oft bestiehlt, denkt Jas, wird man zu einem Ausgestoßenen. Es wird eine lange und harte Nacht.
Noch vor sechs Uhr morgens stehen sie auf. Einer von ihnen geht zur Arbeit. Kam kann nichts riskieren, wenn Jas so auf Entzug ist. Um halb sieben machen sie sich zum Frühstück auf den Weg in den Tempel.
Der Gurdwara ragt auf wie eine Festung aus Marmor und Granit. Das vergoldete Kuppeldach scheint weit über ihnen in den Wolken zu schweben. Touristen versperren den Bürgersteig, richten ehrfürchtig ihre Kameras nach oben. Der Gurdwara Sri Guru Singh Sahba ist der größte Tempel der Sikhs in Europa, der Bau hat 17,5 Millionen Pfund gekostet. Jas’ Augen schweifen gierig über die teuren Nikon-Objektive und Herrenhandtaschen aus glänzendem Leder, dann trotten er und Kam langsam die schimmernden weißen Marmorstufen hinauf in den Korridor.
Jas rechnet schon halb damit, dass einer der Aufseher vortritt und ihnen den Weg versperrt. Wenn sie stark unter Drogen stehen, verweigert man ihnen den Zutritt. Wenn sie nach Alkohol riechen, bringt man ihnen das Essen nach draußen. Vor der Tür bleiben sie stehen, ziehen ihre Schuhe aus und stellen sie auf der hölzernen Ablage
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