The Hunter - Die komplette erste Staffel
auch? Wegen der beiden Male, die sie in der Kiste waren? Sie hatte schließlich den Eindruck erweckt, sie würde nur mit ihm vögeln wollen. Was habe ich erwartet?
Für die vielen neuen Menschen, denen sie mittlerweile begegnet war, hatte sie das Eis schmelzen lassen, das ihr Herz ihr halbes Leben lang umschlossen hatte. Nun bildete es sich erneut, fror ihre Gefühle ein. Ohne ein weiteres Wort stand Medina auf und verließ das Restaurant. Die bohrenden Blicke von Flora und ihrer Kollegin spürte sie im Rücken. Ursprünglich wollte sie noch zu David. Aber das verwarf sie nun. Seufzend zündete sie sich eine Zigarette an, sprang über ihre Wagentür auf den Vordersitz, startete und fuhr noch einmal zu Grannys Haus.
Mit einer Tasche, gefüllt mit den nötigen Utensilien, der Glock, die sie ganz unten deponiert hatte, und dem Notizbuch ihrer Gran verließ sie San Bernardino über die Berge Richtung Osten.
2
UTAH, Price
Als Medina nach acht Stunden Fahrt in Utah ankam, war sie staubbedeckt. Sie hatte das Verdeck des Wagens noch nicht in Gang bringen können und nachdem es nicht regnete, bislang einfach offen gelassen. Eigentlich hätte sie sich wenigstens noch Las Vegas ansehen können oder die Geisterstadt, aber sie machte die Reise ja nicht zum Spaß, sondern um die Menschen kennenzulernen, die mit ihrem Schicksal verknüpft waren.
Hier würde sie John Singa finden, wie ihre Internetrecherche ergeben hatte. Nun hielt sie vor einem freistehenden Lagergebäude an der Carbonville Road. Vom Rücksitz fischte sie eine Flasche Wasser, hob sie an die Lippen und trank sie durstig leer. Staub überall. Auf ihrer Zunge, zwischen den Zähnen. Es war heiß, obwohl die Abenddämmerung bereits eingesetzt hatte, Medina war hungrig, müde und wollte sich nur noch ausruhen. Trotzdem raffte sie sich auf und stieg aus dem Wagen. Doch kaum drehte sie sich um, blickte sie in die Mündung eines großkalibrigen Gewehrs. Ein zorniger Blick traf sie. Sie handelte schnell, bückte sich, trat gegen das linke Knie des Kerls, der sofort einknickte, und schon hielt sie seinen Kopf im Schwitzkasten. „Eine Bewegung und dein Genick ist gebrochen. Wenn du denkst, ich mein das nicht ernst, ist das dein Problem“, zischte sie aggressiv.
Er hatte das Gewehr fallen gelassen, hing schnaufend in ihrer Armbeuge. Wie ein nasser Sack. Mein Gott! Das soll ein Jäger sein? Sein Körper stank nach Alkohol und Schweiß.
„John Singa?“, fragte sie streng und versuchte, durch den Mund zu atmen.
„Yep“, brachte er hervor.
„Medina Thompson. Sie kannten meine Großmutter Mary-Beth.“ Sie lockerte den Griff etwas.
„Großmutter? Ich wüsste nicht, dass sie eine To…“ Er verstummte. Medina konnte seine Anspannung weichen spüren. Schließlich ließ sie ihn los. Er hustete, griff sich theatralisch an den Hals und grunzte laut. Nun konnte sie ihn genauer betrachten. Der Mann war ungefähr einen Meter achtzig groß, hatte glatte, schwarze Haare bis zur Schulter und indianische Gesichtszüge. Sie schätzte ihn auf ungefähr 45, und er schien ein massives Alkoholproblem zu haben, was er ihr sogleich bestätigte, indem er einen Flachmann aus den Jeans zog. Er schraubte den Deckel ab und setzte ihn mit zitternder Hand an die Lippen. Sein Körper war untersetzt und aufgedunsen.
„Nun, John Singa. Was wollten Sie nochmal erzählen?“
Sorgfältig verschloss er den Flachmann wieder und schüttelte den Kopf. „Nichts. Ich kann mich sehr gut an Mary-Beth erinnern. Eine tolle Frau.“
Medina verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere, verschränkte die Arme vor der Brust. „Und Jägerin. Wie Sie, John.“
Er kniff die Augen zusammen, so, als müsse er darüber nachdenken, was sie gesagt hatte.
„Ich bin auch Jägerin. Leider weiß ich nicht genug, deshalb dachte ich, besuch’ ich mal die anderen und hör mir an, was sie so zu sagen haben.“ Absichtlich redete sie im Plauderton, war gespannt, wie er reagieren würde. Doch er reagierte gar nicht, spannte nur einen Gummiring, den er vom Handgelenk zog, im Nacken um die Haare. „Kommen Sie mit rein“, brummte er, zog den Zopf zurecht und ging zum Lagerhaus. Neugierig folgte Medina ihm. Vor dem Eingang standen zwei Plastikstühle und ein kleiner Tisch. Auf ihm quoll ein Aschenbecher über, rundum standen mehrere Flaschen Bier, Tassen, aus denen Schimmel wuchs, und schmutzige Gläser. Durch eine durchlöcherte Fliegengittertür gingen sie ins Innere der Halle. Sie war riesig, aber
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